Fette und Öle: Ameisen-Nahrung und Ausbruchsschutz

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Fette und Öle: Ameisen-Nahrung und Ausbruchsschutz

Beitragvon Merkur » Dienstag 20. Dezember 2016, 16:58

Eigentlich wollte ich längst mal etwas zu fettreicher Nahrung für Ameisen geschrieben haben, evtl. für das AWiki. Aber irgendwas kam wohl immer dazwischen…. :roll:

Fette und Öle sind sehr energiereiche Kohlenwasserstoffe

Für viele Tiere wie auch für den Menschen sind sie in der Nahrung unverzichtbar. Auch als Energiespeicher dienen sie bekanntlich, nicht nur bei uns.
Insektenlarven und Puppen, etwa vom Mehlkäfer, enthalten außer Proteinen auch hohe Anteile an Fett („Fettkörper“), ebenso junge Königinnen auf dem Hochzeitsflug, oder die "Speichertiere" bei manchen Ameisenarten. Schließlich benötigt der Aufbau von Muskeln, Ovarien und anderen Geweben nicht nur Protein: Die beteiligten chemischen Umsetzungen verbrauchen Energie, und dafür werden Fettvorräte abgebaut und veratmet!

Ameisen finden in ihrer Nahrung außer Proteinen und Zuckern (= Kohlenhydrate) sowie Stärke (= langkettige Vielfach-Zucker) eben auch Fette, wobei die Mengenverhältnisse in verschiedenen Verwandtschaftsgruppen recht unterschiedlich sein dürften.
- In tierischer Beute sind Fette wohl immer enthalten.
- Elaiosomen sind fett- und eiweißreiche Samenanhängsel („Elaiosom“ = Ölkörperchen).
- Samen vieler Pflanzen sind oft sehr fettreich: Sonnenblumenöl, Rapsöl (was man sogar zu Dieselkraftstoff verarbeiten kann).
- Manche Früchte enthalten Öl auch im Fruchtfleisch (Oliven).
Dieser Gesichtspunkt wurde bisher stark vernachlässigt, nicht nur bei den künstlichen Diäten für Ameisen, wo man wohl zumeist Zucker als Kohlenhydratquelle einsetzt.

Fette und Öle als Ausbruchsschutz:

Man liest immer wieder, dass Ameisen durch Paraffinöl, Vaseline, oder Gemische davon nicht im Formikarium zurückgehalten werden können.
Im AmeisenWiki steht das schon seit Jahren:
Monomorium pharaonis (Pharaoameise) und die Arten des Tetramorium caespitum/impurum-Komplexes sind durch Ölbeläge und Vaseline nicht aufzuhalten! Es sind „Fett liebende“ Arten. Ob PTFE, Graphit und anderes für eine Art wirksam sind, muss man vor dem Kauf beim Händler erfragen. Die Wirksamkeit sollte man sich schriftlich zusichern lassen!
Die Pharaoameise konnte nur in dicht verschlossenen Behältern gehalten werden, die zudem als „Inseln“ in einem Becken mit einer 1 cm hohen Paraffinöl-Füllung standen. Die immer noch zahlreichen „Flüchtlinge“ ertranken in dem Paraffinöl mit 100% Sicherheit.

Das entstammt also unseren eigenen Laborbeobachtungen. Als Alternative konnten wir nur dichte Deckel benutzen, zusätzlich zu dem nur kurzfristig wirkenden Paraffinöl. – Lange Zeit haben wir eher scherzhaft darüber diskutiert, dass solche Arten unseren Ausbruchsschutz einfach wegschlecken könnten. Diese Substanzen sind ungiftig, und Paraffinöl wird beim Menschen sogar als Abführmittel verabreicht. – Ob das so ist, wurde allerdings bisher m. W. nie untersucht! - Selbst wenn die Ameisen solche Fette nicht wegfressen, können sie mit fettigen Oberflächen besser "umgehen" als Arten, die fettige/ ölige Oberflächen eher meiden.

Zwei Konsequenzen lassen sich aus dieser Situation und den Beobachtungen ableiten:

1. Für viele Ameisenarten dürften Fette bzw. Öle wichtige Bestandteile der Nahrung sein!
Für welche Gattungen bzw. Arten das zutrifft, und in welchem Umfang, müsste untersucht werden. Bei naturnaher Ernährung, Zucker bzw. Honig und Insekten, bei Granivoren v. a. Samen, gibt es keine Probleme; sowohl Insekten als auch viele Samen enthalten genügend Fette bzw. Öle.

2. Wo Paraffinöl und Vaseline als Ausbruchsschutz unwirksam sind, muss man auf andere Mittel wie Teflon, Talkum etc. zurückgreifen. Dichte Deckel sind in jedem Fall zu empfehlen, mit eingeklebten Lüftungssieben.

MfG,
Merkur
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Zuletzt geändert von Merkur am Mittwoch 21. Dezember 2016, 16:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Fette und Öle: Ameisen-Nahrung und Ausbruchsschutz

Beitragvon Trailandstreet » Mittwoch 21. Dezember 2016, 09:58

Ein wirklich sehr interessanter Beitrag von Merkur an dieser Stelle. Angesprochen wurde dieses Theam ja schon des öfteren.

Öl, bzw Fette scheinen tatsächlich auch auf Ameisen einen gewissen Reiz auszuüben. Als ich das erste mal Rapssamen an die Messor verfüttert habe, haben sie alle anderen Gräser- u Löwenzahnsamen links liegen lassen und erst die schwarzen Kugeln eingetragen.

Als ich ml gelesen habe, dass Pheidole auch ganz wild auf Speiseöl sind, habe ich dies bei meinen auch mal versucht. Hier vorrangig bei Lasius niger, Formica cunicularia und Myrmica rubra. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Offenbar ist unseren Arten das Öl in Reinform doch nicht so geheuer.

Als mir mal die Mehlwürmer ausgingen und ich auch keine Heimchen bekommen konnte, hab ich stattdessen Zoophobas genommen. Diese sollen ja auch recht fett sein, was gerade auf die Formica und Lasius anscheinend doch eine große Anziehung ausübte.
Eigenartigerweise waren die Myrmica hiervon auch nicht sehr zu begeistern. Die stehen doch wohl eher auf knusprige Fliegen. :?:

Soweit mal mein Eindruck, was Öle und Fette in der Nahrung oder als Nahrung angeht. Vielleicht hat ja jemand auch noch Beobachtungen dazu gemacht.

Was das Öl als Ausbruchschutz angeht, kann ich nur sagen, dass es bei mir gut die größeren Arten, wie die Formica und auch Myrmica zurückhält. Es wirkt aber eigenartigerweise auch bei den Temnothorax und Leptohorax, dort allerdings nur über Kopf.
Meine Lasius niger überwinden die Barriere meist recht schnell, deswegen haben diese auch einen dichten Deckel, ob sie das Öl abschlecken, kann ich nicht sagen. Ich sehe sie aber auch nicht, dass sie die Schicht irgendwie "bearbeiten" würden.
Manche sieht man schon, dass sie konzentriert an bestimmten Stellen am Ausbruchschutz "arbeiten".
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Re: Fette und Öle: Ameisen-Nahrung und Ausbruchsschutz

Beitragvon Reber » Donnerstag 22. Dezember 2016, 12:28

Vielen Dank für die interessanten Beiträge!

Einen kleinen Fütterungsersuch bei meinen Ectomomyrmex astutus, will ich euch schildern:
Ich gab einen Bierdeckel, der zur Hälfte mit Sonnenblumenöl gefüllt war, ins Fomicarium um zu sehen wie die Ameisen reagieren würden. Nun muss man wissen, die Tiere sind geschickte Jäger und tragen auch tote Insekten sofort ein. Bei angebotener Flüssignahrung wirken sie dagegen immer etwas hilflos, manchmal tollpatschig. Einige Tiere scheinen nicht auf Anhieb zu begreifen wie man sie aufnimmt; generell fallen die Reaktionen bei Flüssignahrung oder Fruchtstücken völlig unterschiedlich aus, auch wenn das Gleiche angeboten wird: Nach einer neugierigen Musterung des Futters kommt es entweder zu einer Mobilisierung, oder es wird achtlos liegen gelassen.

Am Speiseöl gab es zumindest sofort Interesse. Nur, innert zwei Minuten, waren zwei Arbeiterinnen im Deckelchen gänzlich mit Öl bedeckt... Ich half ihnen mit der Federpinzette aus ihrer misslichen Lage und setzte sie ins Formicarium. Da ich ahnte, dass sich die Tiere alleine nicht mehr würden reinigen können, holte ich etwas Küchenpapier. Als ich zurück kam, waren beide der glänzenden Ameisen in Kämpfe mit ihren Schwestern verwickelt!
Es schien, als könnten sie einander wegen dem Ölfilm nicht mehr als Nestgenossinnen erkennen. Ich reinigte die Arbeiterinnen mit Küchenpapier und setzte sie zurück. Als sie aus ihren Verstecken kamen, konnte ich keine Angriffe auf sie Beobachten.

Ich bot nun weniger Öl an. Ein Tröpfchen in einem Bierdeckel. Nun fiel mir auf, wie die Ameisen, die das Öl endeckt hatten, bei Berührung sofort einen cm rückwärts liefen um immer wieder ihre Fühler zu reinigen, dasselbe machten sie mit ihren Vorderbeinen. Dann wiederholte sich das Schauspiel. Einge Ameisen standen danach Minutenlang ganz regungslos neben dem Öldeckelchen. Eine Mobilisierung konnte ich nicht beobachten. Ectomomyrmex astutus und Sonnenblumenöl, das scheint nicht wirklich zusammen zu passen...
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