Ameisenlarven: Ihr geheimes Innenleben

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Ameisenlarven: Ihr geheimes Innenleben

Beitragvon Merkur » Freitag 7. April 2017, 19:48

Ameisenlarven finden in den Foren nicht gerade viel Beachtung. Sie sind halt ein notwendiges Vorstadium für die Entstehung von Puppen und schließlich adulten Arbeiterinnen, Gynen und Männchen. Doch sie sind nicht nur Fressmaschinen und Speicher zur Ansammlung von Baustoffen für die adulten Tiere: Trotz ihres oft sack- oder madenartigen Aussehens sind sie tatsächlich fast ebenso kompliziert organisiert wie die „erwachsenen“ Tiere. Der Insekten-Grundbauplan ist auch in Insektenlarven realisiert!
Man muss schon Fachliteratur durcharbeiten, um Einzelheiten über Bau und Funktion von Ameisenlarven zu finden. Honigbienen-Larven sind dahingehend seit langer Zeit besser untersucht. Da die Larven von Ameisen als aculeaten Hymenopteren mit denen der Apiden weítgehend übereinstimmen, möchte ich hier auf eine Darstellung der Anatomie der Bienenlarven hinweisen. Sie ist von 1924 (!), aber deswegen längst nicht überholt. Schon oberflächliches Durchmustern (v. a. auch der Bildtafeln im Anhang) kann eine gute Vorstellung davon vermitteln, wie hoch organisiert und spezialisiert auch die Larven der Ameisen sind:
http://articles.extension.org/mediawiki ... Larvae.pdf
J. A.Nelson: „Morphologie (im Deutschen eher Anatomie und Histologie) der Honigbienenlarve“. J. Agricultural Research 28, 1924, S. 1167-1213 (46 Seiten + 8 Bildtafeln)
Detailliert beschrieben sind Gehirn und Nervensystem (Strickleiter-NS!); Tracheensystem; Malpighi-Gefäße; Muskulatur (sehr komplex, auch im Körper! U.a. längs, dorsoventral und diagonal verlaufend.); Herz und Zellen in der Hämolymphe; dorsales und ventrales Diaphragma; Fettgewebe; Oenocyten; Ovar-Anlagen („rudiments“); Hoden (bei Drohnen umfangreich bereits im Larvenstadium).

Am Ende, nach dem Literaturverzeichnis, kommen noch 8 Tafeln mit wunderschönen Zeichnungen, mit den larvalen Kopfextremitäten (Antennen!); histologischen Schnitten durch wichtige Teile; Darstellung der riesigen Malpighischen Gefäße und der „Seidendrüsen“, silk glands = Speicheldrüsen); Tafel 7 A: Dorsalgefäß mit den „Flügelmuskeln“ – nicht zu verwechseln mit der Flugmuskulatur des adulten Tieres (das natürlich auch ein Herz mit Flügelmuskeln hat), und vieles andere.

Das alles findet sich natürlich auch in Ameisenlarven. Erforscht wurden solche Baupläne bereits in den Anfängen des 20. Jh., so gründlich, dass man heute allenfalls noch Einzelheiten näher untersucht. Die Myrmekologie beschränkt sich weithin auf adulte Ameisen, deren Exoskelett sich gut konservieren und nach allen Dimensionen ausmessen lässt.
Dass auch interne Organe aufschlussreiche Informationen liefern können (oft schon durch einfaches Sezieren zu ermitteln!), ist irgendwie in den Hintergrund getreten, bei Adulten, und noch mehr bei Larven und Puppenstadien.
Oft stößt man auf Darstellungen, die Ameisen und deren Entwicklungsstadien geradezu als „black boxes“ erscheinen lassen. Doch das ist ein großer Irrtum: Man weiß eigentlich ungeheuer viel über den inneren Bau, die Organe und deren Funktionen, aus zum großen Teil lange zurückliegenden Forschungsarbeiten. Dank der Vielzahl der Arten und Lebensweisen allein schon unter den Ameisen lassen sich dennoch immer wieder neue und neuartige Erkenntnisse gewinnen.
Ich verweise hier als Beispiel nur auf eine neuere Untersuchung über eine spezielle Struktur im Darmtrakt und die darin enthaltenen Symbionten bei Tetraponera:
http://ameisenportal.eu/viewtopic.php?f=11&t=860
https://bio.kuleuven.be/ento/pdfs/bille ... ponera.pdf
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/123 ... t=Abstract

MfG,
Merkur
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