Hügelform bei Formica rufa/polyctena

Hier können allgemeine Fragen zum Thema Ameisen, sowie zu europäischen Ameisenarten gestellt werden.

Re: Hügelform bei Formica rufa/polyctena

Beitragvon kaputtinhollywood » Mittwoch 24. Juni 2015, 05:48

Hallo Boro,
das ist natürlich ein guter und wichtiger Punkt!
Ich bin gespannt was sich noch in Erfahrung bringen lässt.
Zu Bild2; es ist definitiv die Nestoberfläche. Ich kenne das Nest schon seit mehreren Jahren. Vielleicht finde ich irgendwo noch ein anderes Foto oder mache demnächst ein neues.
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kaputtinhollywood
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Re: Hügelform bei Formica rufa/polyctena

Beitragvon FooFighter » Mittwoch 24. Juni 2015, 09:33

Hallo Boro,
die Bilder gingen im letzten Post anscheinend verloren. Das Waldgebiet umschließt ein Bachtal. Der zum Norden gerichtete Hang hat eine flache Steigung und ist sehr feucht, hier gibt es ausschließlich Buchen. Der zum Süden befindliche Hang besteht meist aus einem Mix von Buchen, Eichen und ein paar Fichten. Wie auf dem Bild zu sehen ist gibt es in diesem Bereich vor allem Kiefern, Birken und vereizelte Eichen. Da ich das Gebiet schon lange und gut kenne kann ich sagen dass auch diese Pionierbaumarten es hier schwer haben, die Vegetation hat sich über die letzten Jahre kaum verändert.

Das erste Bild (Nr.11) zeigt den Weg der sich terassenförmig im Hang befindet, die Schutthalde geht von Bild Nr.11 nach links mit leichterer Steigung und deutlich mehr Kiefernbewuchs weiter. Bild Nr. 14 und 15 zeigt eine Birke die von den Ameisen ebenfalls genutzt wird, die Straße dorthin verläuft aber zum größten Teil unter den Steinen hindurch, so das ich sie bei meinem ersten Besuch nicht bemerkte. Was aus den Bildern nicht unbedingt hervorgeht ist, dass das Nest ,bedingt durch die nahezu perfekte Südlage, von morgens bis abends voller Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist. Die Steine heizen sich sehr stark auf, ohne Handschuhe kann man hier an schönen Hochsommertagen keinen Stein anfassen.

LG
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DSC_0608.JPG
11. Westliche Seite der Schutthalde (Nest ist nicht zu sehen)
DSC_0600.JPG
12. Das Nest ist schlecht zu erkennen, befindet sich aber genau in Bildmitte, die Kiefer am oberen Rand wird von den Ameisen belaufen
DSC_0602.JPG
13. Nestbereich, Durchmesser ca. 0,75m-1m
DSC_0605.JPG
14. Bereich unterhalb des Nests, die Birke wird belaufen
DSC_0599.JPG
15. Blick über den Schutthang, die einsame Birke ist die aus Bild Nr. 14
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Re: Hügelform bei Formica rufa/polyctena

Beitragvon Boro » Mittwoch 24. Juni 2015, 14:35

Sehr schön, danke! Es scheint sich um dunklen Tonschiefer zu handeln, ein ausgesprochen xerothermer Standort, eine Heißlände! Unverständlich, warum Formica s. str. nicht den nahen Waldrand als Neststandort nützt. In der Schutthalde sollte es auch Serviformica spp. geben, bei der die Waldameisengyne sozialparasitisch gründet. Vielleicht findest du einmal ein paar Individuen und kannst daheim in der Box Fotos machen. Vom Habitat her kann ich mir hier nur F. rufibarbis od. F. clara vorstellen, aber viell. erleben wir da auch eine Überraschung......
L.G.
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Re: Hügelform bei Formica rufa/polyctena

Beitragvon FooFighter » Mittwoch 24. Juni 2015, 16:22

In der Schutthalde habe ich keine andere Ameisenart entdecken können. Am Übergang zwischen der Schutthalde und dem normalen Bewuchs gibt es viele Serviformica fusca Nester unter Totholz oder Steinen, eine andere Serviformica Art konnte ich nicht entdecken. Mich würde noch interessieren ob man anhand der Nestgröße das Alter der Kolonie schätzen kann. Könnte der ungewöhnliche Standort aus dem Vorkommen anderer aggressiverer Arten am Waldrand resultieren oder würden nach erfolgreicher Gründung Formica rufa/polyctena diese einfach verdrängen ? Auf dem Weg und am Rand der Halde waren nämlich sehr viele Arbeiterinnen von Camponotus ligniperdus/herculaneus unterwegs, diese hielten aber Sicherheitsabstand zu den hier vereinzelt fouragierenden Arbeiterinnen von Formica. Im Laufe der nächsten Wochen werde ich wohl wieder Gelegenheit haben weiter zu suchen und Fotos zu machen, vielleicht finde ich ja doch noch weiter Serviformica Arten.
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Re: Hügelform bei Formica rufa/polyctena

Beitragvon FooFighter » Donnerstag 20. August 2015, 09:17

Nachtrag vom 14. Juli 2015

Nach den extrem heißen Tagen Anfang Juli mit ca. 38°C ist das Nest aus den voran gegangenen Bildern verlassen. Es waren weder Ameisen auf der Nestoberfläche noch unter den Steinen zu finden. Auch der gesamte Bereich um das Nest war komplett verlassen. Die Formicas haben ihr Nest verlagert, es befindet sich jetzt ca. 8m weiter am Übergang zwichen der Schutthalde und dem Wald. Der Umzug scheint noch nicht lange abgeschlossen denn die Ameisen beginnen grade erst wieder das Nest mit Kiefernnadeln wieder auszubauen. Ich denke das in den letzten Jahren, ohne solche Extremwerte wie jetzt in 2015, der Standort keinen wirklichen Nachteil für die Ameisen brachte. Bei 38°C und Steilhang-Südlage müssen sich die Steine so extrem aufgeheizt haben, dass die Ameisen bereit waren mitten in der Hochsaison mit "Sack und Pack" umzuziehen.

Formica fusca gibt es an und in der Schutthalde immer noch sehr viele, die hohen Temperaturen scheinen kein wirkliches Problem für diese Art zu sein. Im Seifert ("Die Ameisen Mittel- und Nordeuropas", S. 105) steht , dass sich die "maximale an einem Standardstrahlungstag in 35mm Tiefe erreichte Bodemtemperatur" von Formica rufa (18,5°C) und Formica fusca (23,0°C) deutlich unterscheiden.

Die in den letzten Beiträgen von mir beschriebenen Lachniden-Bäume werden nicht mehr belaufen, dafür gibt es jetzt wirklich breite dicht belaufene Straßen zu den nahe gelegenen starken Eichen und Kiefern. Bis jetzt kann ich festhalten, dass die Kolonie trotz des Umzugs kräftig wächst.
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DSC_0149.JPG
Verschwunden...
FormicaRufa.jpg
...und wieder aufgetaucht
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Re: Hügelform bei Formica rufa/polyctena

Beitragvon Boro » Donnerstag 20. August 2015, 13:01

Wenn das letzte Bild jene Art zeigt, die vorher in der Schutthalde genannt wurde, kann man zu einem (vorsichtigen) Ergebnis kommen: Die von Reber in der Liste genannten Gebirgs-Waldameisen kann man getrost ausscheiden, ebenso sicher die früher genannten F. truncorum od. Raptiformica. Übrig bleiben F. rufa od. F. polyctena, wobei F. rufa als einigermaßen thermophil gilt, während F. polyctena eher das Waldinnere od. halbschattige Habitate besiedelt. Man kann F. rufa als sehr wahrscheinlich annehmen. Die Nestverlagerung auf Grund der heißen Tage zeigt, dass der urspr. Nistort eher als "Irrtum" (ohne entsprechendes Nistmaterial in Reichweite) anzusehen war. Die öfter gesichtete F. fusca kommt zur sozialparasitischen Gründung durchaus in Frage, aus meiner diesbezüglichen Erfahrung zeigt sich, dass die Art ein breites Habitatsspektrum bedienen kann: von kaum besonnten Lagen im Wald bis zu xerothermen Stellen an Wegböschungen.
L.G.
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Re: Hügelform bei Formica rufa/polyctena

Beitragvon FooFighter » Freitag 12. August 2016, 11:36

Das Kapitel des außergewöhnlichen Neststandorts von Formica s. str. will ich abschließen. Vor ein paar Tagen habe ich das Gebiet nochmal besucht. Von den Ameisen keine Spur- das alte Nest und auch der neuere Standort sind verlassen. Ich habe den weiteren Umkreis abgesucht und keine Arbeiterinnen mehr gefunden. An beiden Nestern habe ich keine tote Ameisen gefunden.

Ein Teil der belaufenen Bäume werden jetzt von Formica sanguinea besucht. Bei meinem letzten Besuch 2015 ist mir diese Art nicht aufgefallen, dieses Mal waren sie nicht zu übersehen. Ob es einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden der einen und Auftauchen der anderen Art (Neststandorte sind ca 20m weit entfernt) gibt kann ich nicht sagen. Das Nest der Formica sanguinea ist in den Gelände kaum zu erkennen, es wäre gut möglich das ich es im letzten Jahr einfach übersehen habe.
Auffällig fand ich die Unteschiede in der Färbung. Ich habe diese Art bereits gehalten und während "meine" Arbeiterinnen eher dunkelrot gefärbt waren geht die Färbung hier im Freiland eher in die Richtung orange-warnrot. Gibt es bei der Pigmentierung (Mesosoma und Kopf) tatsächlich so große regionale Unterschiede oder liegt das nur an der Belichtung ?

Weiter gab es einige Auseinadersetzungen mit den Camponotus sp. zu beobachten. Es wurden viele tote Arbeiterinnen eingetragen bzw. bekämpft. Leider ist es mir immer noch nicht gelungen das Nest der Camponotus ausfindig zu machen. Alle Versuche Arbeiterinnen mit Beute zu folgen bzw visuelle Geraden zu ziehen und dann die "Schnittpunkte" zu untersuchen blieben erfolglos.

Zum Abschluss noch ein paar mäßige Fotos von den NEUEN Bewohnern.
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k-DSC_0708.JPG
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Re: Hügelform bei Formica rufa/polyctena

Beitragvon Boro » Freitag 12. August 2016, 13:32

Eine sehr interessante Beobachtung: Hier liegen Formica sp. (nach deiner glaubwürdigen Aussage F. sanguinea) mit Camponotus ligniperdus (syn. auch mit -a Endung) im Clinch. Diese Kombination wäre durchaus einleuchtend, da sowohl F. sanguinea als auch C. ligniperdus als thermophil gelten. Camponotus dürfte am Rande der Schutthalde in Totholz das Nest haben und furagiert über weite Strecken. Wenn die beiden Nester zu nahe liegen, kann es auch zu Territorialstreitigkeiten kommen, beide Arten gelten als territorial und aggressiv. Ich habe eine Auseinandersetzung zw. Camponotus vagus und Formica sanguinea einmal bildlich dokumentiert: viewtopic.php?f=46&t=1102
Der Unterschied in der Kampfweise beider Arten liegt darin, dass Camponotus als Einzelkämpfer auftritt und nicht im Team kooperiert, Formica hingegen kann als Paradebeispiel für kollektives Vorgehen angesehen werden. Das ist der Grund, warum Formica gegen einzelne od. wenige angreifende überlegene Feinde durchaus erfolgreich sein kann.
L.G.
P.S.: Die eher orangerote Färbung bei F. sanguinea ist keineswegs untypisch: In der Färbung und einigen Verhaltensweisen erscheint F. sanguinea der ebenfalls so gefärbten F. rufibarbis ähnlich.
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