Unbekannte heimische Ameise

Bestimmungsanfragen

Unbekannte heimische Ameise

Beitragvon Boro » Samstag 23. Februar 2019, 17:28

Ich habe einen Beleg einer heimischen Ameise, die im August 2018 am Stadtrand von Villach (Kärnten/Österr.) an einer Lichtfalle gefangen wurde und die ich für das hiesige Landesmuseum bestimmen soll. Sie ist noch in Alkohol aufbewahrt, da der Beleg nicht mir gehört, haben wir ihn auch nicht präpariert. Sohn Roman hat fotografiert, die Qualität der Bilder ist nicht unbedingt erstklassig. Das Tier ist knapp 4 mm lang. Obwohl wir hier nicht beim Rätselraten sind, würde mich doch ein Bestimmungsversuch mehrerer Leser interessieren und es macht nichts aus, wenn jemand daneben liegt. Die Gattung ist klar, ob man das Insekt an Hand der Fotos auf Artniveau bestimmen kann, glaube ich weniger. Ich bitte unsere Top-Experten für 3 Tage still zu halten, vielleicht hat jemand schon einmal so ein Individuum gesehen.
L.G. Boro
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Re: Unbekannte heimische Ameise

Beitragvon Boro » Montag 25. Februar 2019, 13:49

Damit habe ich nicht gerechnet, dass kein Versuch zur Bestimmung gestartet wird. Ich nenne ein Detail: Es handelt sich um ein Männchen! Die sind allerdings besonders schwer zu bestimmen......
L.G.
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Re: Unbekannte heimische Ameise

Beitragvon Merkur » Dienstag 26. Februar 2019, 17:58

Hallo Boro,

Jetzt darf ich zwar, kann aber doch nicht!
Es ist schwierig! Männchen ist klar, 13 Fühlerglieder. Nur ein Petiolus: Formicinen oder Dolichoderinen.
Aber Epinotaldornen und dicker Petiolus: Dazu fällt mir auch nichts Gescheites ein!

Bei Dolichoderus quadripunctatus-Arbeiterinnen hängt ja das Epinotum nach hinten über; das könnte bei Männchen zu zwei dicken "Dornen" oder Höckern werden.
Bilder fand ich nirgends passende.
In meiner kleinen Trockensammlung stecken 2 Männchen (gesammelt 1964 bei Würzburg): Die "dicke" Schuppe passt!
Aber das Epinotum ist ziemlich schlicht gerundet.... Bin ratlos. :?:

MfG,
Merkur
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Re: Unbekannte heimische Ameise

Beitragvon MBM » Dienstag 26. Februar 2019, 19:07

Hallo,

dürfte man bei so einem kleinen Tier auch an Proceratium melinum denken?
Ich finde aber nirgends ein Bild eines solchen Männchens zum Vergleichen.

Beste Grüße
MBM
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Re: Unbekannte heimische Ameise

Beitragvon Merkur » Mittwoch 27. Februar 2019, 10:09

An Proceratium habe ich auch gedacht. Hier ist ein Männchen abgebildet (aus einem Link von Boro),
aber von der kräftigen Einschnürung hinter dem 1. Gastersegment kann ich auf Boros Bild nichts erkennen!
Auch schreibt Boro im Startpost: "Die Gattung ist klar, ob man das Insekt an Hand der Fotos auf Artniveau bestimmen kann, glaube ich weniger."; doch da fällt mir unter den einheimischen Ameisen-Gattungen keine ein;
sie müsste ja auch mehr als eine Art enthalten.

MfG,
Merkur
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Re: Unbekannte heimische Ameise

Beitragvon Boro » Mittwoch 27. Februar 2019, 19:04

Ich halte den Beleg für eine Myrmica sp.. Bis auf den fehlenden Petiolus passen eigentlich alle Merkmale zu dieser Gattung (Scapi, Thorax, Propodealhöcker, Postpetiolus). In ganz seltenen Fällen kommen solche Abnormitäten vor, wobei das Männchen an einer Lichtfalle gefangen wurde, so dass man davon ausgehen kann, dass es auch zu einer Paarung fähig gewesen sein könnte. Ein Experte aus Österreich hat mir gerade geschrieben, dass er diese Fehlbildung einmal bei einem Individuum von Myrmica sulcinodis schon gesehen hat. Die Artbestimmung dürfte sehr schwierig sein.
Ich danke für die Beteiligung zur Findung einer Bestimmung.
L.G.
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Re: Unbekannte heimische Ameise

Beitragvon Boro » Donnerstag 28. Februar 2019, 08:45

Danke Merkur für die umfassenden Erläuterungen zu Missbildungen bei Ameisen! Ist zwar etwas speziell, aber sollten wir das nicht auch hier verlinken?
Liebe Grüße Boro
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Re: Unbekannte heimische Ameise

Beitragvon Merkur » Donnerstag 28. Februar 2019, 10:50

Hallo Boro,

Auf die E-Mails von Ihnen und H. Wagner habe ich zunächst auch nur per E-Mail geantwortet. Gerne füge ich Inhalte meine Antwort hier ein, ergänzt um weitere Informationen:

Die Möglichkeit einer Missbildung hatte ich nicht in Betracht gezogen, da eine Ameise mit nur einem Stielchenglied auf den ersten Blick keine Myrmicine sein konnte. :roll:
 
So etwas kommt allerdings öfter vor, auch bei Myrmica spp..
Eine Leptothorax, bei der Petiolus und Postpetiolus fehlen, ist hier abgebildet: https://ameisenwiki.de/index.php/Besch% ... te_Ameisen
Auch weitere Fehlbildungen sind in dem Beitrag zu finden.
 
Die Originalarbeit ist inzwischen online:
Buschinger, A., Stoewesand, H. (1971): Teratologische Untersuchungen an Ameisen (Hym., Formicidae). Beitr. Entomol. 21, 211-241, https://www.contributions-to-entomology ... ew/967/966

Darin sind nur die 97 Beispiele enthalten, die ich bei meinen Aufsammlungen von 1963 bis 1970 entdeckt hatte. Ich hatte mit Frau Stoewesand eine sehr begabte Zeichnerin gefunden, die über das Material
eine Examensarbeit geschrieben hat. Später habe ich noch über 400 weitere teratologische Exemplare entdeckt, doch war außer dem folgenden Beispiel nichts „aufregend Neues“ mehr dabei, so dass mir
eine weitere Veröffentlichung dazu nicht mehr attraktiv erschien. - Es gab spannendere Untersuchungen. ;)
 
Bei Ihrer Myrmica mit fehlendem Postpetiolus gehe nicht von einer genetischen Ursache aus, doch ist das natürlich bei nur einem Exemplar nicht sicher auszuschließen. Die allermeisten meiner Exemplare
stammten aus Nestfunden bzw. wurden in Völkern in der Haltung entdeckt. In der großen Mehrzahl der Fälle gehe ich von Schädigungen / Läsionen bei Larven während der Brutpflege aus.
 
Ein recht klares Beispiel für eine genetisch bedingte Anomalie habe ich hier vorgestellt: viewtopic.php?f=16&t=513#p4106
Buschinger, A. 1997: Unusual malformations in males of a North American Leptothorax species (Hymenoptera, Formicidae). BembiX 8, 34-36.
Original: https://www.zobodat.at/pdf/Bembix_8_0034-0036.pdf
Hier wäre eine Weiterzucht wünschenswert und möglich gewesen. Doch hatte ich selbst zu viele andere Projekte am Laufen, und für eine Examensarbeit (Höheres Lehramt, Diplom) wäre eine Zucht mit vielen
Völkern über evtl. mehr als zwei Jahre nicht zumutbar gewesen. Für eine Doktorarbeit wäre es vermutlich inhaltlich zu mager geworden.

MfG,
Merkur
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Re: Unbekannte heimische Ameise

Beitragvon Boro » Donnerstag 28. Februar 2019, 20:12

Nach einer kurzen Stellungnahme von Prof. Seifert kann es sich um Myrmica sabuleti od. M. lonae handeln. Meine Stellungnahme dazu lautet, dass M. sabuleti wahrscheinlicher ist, da diese Art in den Niederungen relativ häufig vorkommt und am bewussten Fundort bei Villach schon mehrfach festgestellt wurde. Von M. lonae gibt es bisher in Kärnten nur 4 Fundpunkt in Höhenlagen zwischen 800 und 900 m.
L.G.
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