Wie Ameisen sich gegen ihre Sozialparasiten wehren

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Wie Ameisen sich gegen ihre Sozialparasiten wehren

Beitragvon Merkur » Samstag 18. August 2018, 15:59

Grüter C, Jongepier E, Foitzik S. (2018) Insect societies fight back: the evolution of defensive traits against social parasites. - Phil. Trans. R. Soc. B 373: 20170200. http://dx.doi.org/10.1098/rstb.2017.0200

Insektenstaaten schlagen zurück: Die Evolution von Verteidigungsmaßnahmen gegen Sozialparasiten.

Abstract
Insect societies face many social parasites that exploit their altruistic behaviours
or their resources. Due to the fitness costs these social parasites incur, hosts have
evolved various behavioural, chemical, architectural and morphological
defence traits. Similar to bacteria infecting multicellular hosts, social parasites
have to successfully go through several steps to exploit their hosts. Here, we
review how social insects try to interrupt this sequence of events. They can
avoid parasite contact by choosing to nest in parasite-free locales or evade
attacks by adapting their colony structure. Once social parasites attack, hosts
attempt to detect them, which can be facilitated by adjustments in colony
odour. If social parasites enter the nest, hosts can either aggressively defend
their colony or take their young and flee. Nest structures are often shaped to
prevent social parasite invasion or to safeguard host resources. Finally, if
social parasites successfully establish themselves in host nests, hosts can rebel
by killing the parasite brood or by reproducing in the parasites’ presence.
Hosts of social parasites can therefore develop multiple traits, leading to the
evolution of complex defence portfolios of co-dependent traits. Social parasites
can respond to these multi-level defences with counter-adaptations, potentially
leading to geographical mosaics of coevolution.
This article is part of the Theo Murphy meeting issue ‘Evolution of
pathogen and parasite avoidance behaviours‘.

Es ist ein Überblick zu Arbeiten vor allem der Arbeitsgruppe S. Foitzik in Mainz, die versucht, Belege dafür zu finden, dass selbständige Ameisenarten gegen den Feinddruck durch sozialparasitische Arten Abwehrmechanismen entwickeln können.
Insbesondere werden Experimente referiert, bei denen es um die amerikanischen Sklavenhalter Protomognthus americanus (jetzt: Temnothorax americanus) und Temnothorax pilagens und deren Sklavenarten T. ambiguus, T. curvispinosus und T. longispinosus geht, sowie um die europäische Art Harpagoxenus sublaevis und ihre Leptothorax-Sklaven.
In diesem Zusammenhang wurde in der Literatur auch wiederholt eine „Rebellion der Sklaven“ diskutiert, die im Sklavenhalter-Nest gezielt die Brut der Sklavenhalter zerstören und damit den Sklavenhaltern weniger intensive Raubzüge ermöglichen sollen. Da die Sklavenart-Völker in der Nachbarschaft oft untereinander (und damit auch mit den bereits versklavten Arbeiterinnen) recht nahe verwandt sind, soll diese „Rebellion“ auf indirekte Weise die „inclusive fitness“ der Sklaven fördern. Versklavte Arbeiterinnen pflanzen sich ja nicht fort, können also durch ihre Aggression gegen die Sklavenhalter-Brut ihre direkte Fitness (Kopien ihrer Gene in der nächsten Generation) nicht verbessern. Theoretisch könnte es funktionieren…

MfG,
Merkur
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Re: Wie Ameisen sich gegen ihre Sozialparasiten wehren

Beitragvon Teleutotje » Sonntag 19. August 2018, 00:02

Great discovery! First thing to do tomorrow: Reading this article!.........................................
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Re: Wie Ameisen sich gegen ihre Sozialparasiten wehren

Beitragvon Teleutotje » Dienstag 21. August 2018, 16:11

Very good review of all possible defence methods!
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Re: Wie Ameisen sich gegen ihre Sozialparasiten wehren

Beitragvon Boro » Mittwoch 22. August 2018, 14:04

Auch für Polyergus rufescens, die Amazonenameise, und ihre Wirtsameisen gibt es eine Entwicklung, die auf coevolutionäre Anpassungsprozesse hinausläuft. Bereits 2004 hatte G. Heller auf ein eigenartiges Verhalten der Hilfsameisen gegen die Sozialparasiten hingewiesen: http://myrmecologicalnews.at/cms/index. ... Itemid=350
Woraus man zumindest schließen kann, dass trotz der Aufzucht von Polyergusbrut durch Hilfsameisen in den gemischten Nestern die Angleichung der beiden Duftnoten nicht vollständig sein kann; unter bestimmten Bedingungen (im Kunstnest) wird frisch geschlüpfte Polyergus-Brut als "fremd" erkannt und eliminiert. Das zeigt das mitunter fragile Verhältnis zwischen Sozialparasiten und Hilfsameisen.
Gemeinsam mit Heller haben wir dann über das Verhältnis der ungleichen Partner publiziert: https://www.zobodat.at/stable/pdf/CAR_2 ... 9-0432.pdf , im Kapitel "Gegenstrategien der Wirtsameisen" werden verschiedene Vermeidungs- und Gegenstrategien der Hilfsameisen erwähnt:
Nach dem ersten Kontakt zw. Hilfsameisen und den Aggressoren (scouts) werden
1. Nestbauten unauffällig gehalten, Erdauswürfe fehlen und die Nesteingänge werden verlegt oder am Nachmittag "zugemauert".
2. Der erste Überfall oder wie oben festgehalten, der erste Kontakt mit Pfadfindern der Amazonen kann zu rascher Nestverlagerung v. Serviformica führen. Der zeitlich später oder am nächsten Tag stattfindende Raubzug führt dann ins "Leere"
3. Starke Nestpopulationen vor allem von F. rufibarbis können gerade am Nachmittag verstärkt Wachposten auf der Nestoberfläche postieren, die einen Angriff sofort melden, was zu unglaublich rascher Rekrutierung von Verteidigern führt. In so einem Fall können die Angreifer ihr Propagandapheromon nicht oder teilweise im Inneren des Zielnestes zum Einsatz bringen; unter diesen Umständen kommt es immer wieder zu Abwehrschlachten der Verteidiger. In seltenen Fällen kann es auch zu einem Scheitern des Angriffes der Amazonenameisen führen (S. 429).
Auf der anderen Seite versuchen auch die Amazonenameisen den Erfolg ihrer Angriffe zu optimieren. Dazu gehört sicher, dass nach Möglichkeit
a. der Überraschungseffekt genützt werden soll: die ersten Ankömmlinge der Formation dringen nicht "Hals über Kopf" in das Zielnest ein, sondern halten sich für viell. eine Sekunde zurück, um mit den Nachkommenden gemeinsam als "Pulk" ins Nest zu stürmen.
b. Vielleicht spielt auch die heuer oft festgestellte zeitliche Vorverlegung des Angriffs eine Rolle: In mehreren Nestern von 2 völlig verschiedenen Gebieten sind die Angriffszeiten mindestens auf den Zeitraum von 15:00 bis 18:00 vorzudatieren (Normalzeit), ein Amazonenheer war bereits um 15:00 (Normalzeit) von einem über 10 m führenden (erfolglosen) Raubzug heimgekehrt. Dafür gibt es 2 unabhängige Zeugen. Die zeitliche Ausweitung der Angriffszeit verspricht vielleicht mehr Chancen!
L.G.
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