Gibt es Rodeo-Ameisen in den Alpen?

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Gibt es Rodeo-Ameisen in den Alpen?

Beitragvon Merkur » Freitag 13. Dezember 2019, 12:15

Anscheinend ja, wenn man so will... :roll:

Bereits im März 2018 habe ich hier über die merkwürdige, Gyne von Solenopsis phoretica aus Florida berichtet, die auf dem Rücken ihrer Wirtsart reitet.
Bisher sind erst zwei solcher Exemplare gefunden worden. Das erste wurde bereits 2006 von Davis & Deyrup beschrieben und benannt (AntWiki). Alex Wild hat (wohl im Feb. 2018) ein zweites Exemplar in Texas gefunden, das wahrscheinlich eine andere Art repräsentiert.
Jetzt taucht Folgendes im New Scientist vom 12. Dez. 2019 auf:

Rodeo-Ants-N-Sci.jpg
New Scientist 12. Dez. 2019

Irgendwie hatte ich beim Öffnen der Seite wohl noch den Google Übersetzer engl.- deutsch am Laufen. Das Ergebnis:
Was sollten wir ein Texaner Ameise, dass Fahrten auf dem Rücken der anderen Ameisen nennen? Rodeo Ameisen, sagt Alex Wilde an der University of Texas in Austin, der zwei neue Arten solcher Insekten entdeckt hat. Während wenig über sie bekannt ist, so weit hat Wilds Team nur eine Person aus jedem der beiden Arten ein paar andere Ameisenart anderswo in der Welt sind auch bekannt, Barsch auf dem Rücken der anderen Ameisen gefunden.
(engl. perch = 1. Barsch; 2. auf etwas hocken)
Mehr als diese großartige Übersetzung stört aber im Inhalt, dass hier A. Wild angeblich zwei neue Arten solcher Ameisen entdeckt habe: Nur ein Exemplar einer bisher unbeschriebenen Art hat er gefunden, und der Vorschlag, solche Ameisen als „Rodeo-Ameisen“ zu bezeichnen, geht wohl auf ihn zurück.
Zu den „paar andere Ameisenart anderswo in der Welt“, bei denen solches Verhalten beobachtet wurde, dürften auch die Teleutomyrmex-Spezies gehören. Statt „Endameise“ (griech. Teleutomyrmex)
nun also „Rodeo-Ameisen“, in den Schweizer und französischen Alpen sowie in Spanien, Bulgarien und in der Türkei? :roll:

MfG,
Merkur
Edit: Die story geht weiter: https://www.sciencenews.org/article/tex ... ant-queens
Eager for more rodeo ants, Wild urged students to leave no Brackenridge stone unturned. The particularly diligent Jen Schlauch finally found another very small, reddish ant riding on a larger, darker queen. That six-legged bronco being ridden, however, wasn’t the same kind of big-headed ant as the one parasitized by Wild’s queen.
Demnach hat jemand namens Jen Schlauch in der Gegend noch eine weitere „rodeo ant“ gefunden, allerdings auf einer anderen Pheidole- Art als das von A. Wild entdeckte Exemplar.
Nun, hoffentlich wird man auch mal die komplette Lebensweise dieser Tierchen kennen lernen!
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Re: Gibt es Rodeo-Ameisen in den Alpen?

Beitragvon Emse » Samstag 18. Januar 2020, 18:28

Merkur hat geschrieben:Nun, hoffentlich wird man auch mal die komplette Lebensweise dieser Tierchen kennen lernen!

Da scheint es ein paar neue Erkenntnisse zu den texanischen "Ei(n)schmugglern" zu geben:

[..] Vermutlich leben die Reiterinnen parasitisch. Alex Wild glaubt, die Rodeo-Königinnen schmuggeln ihre Eier unter die der unfreiwilligen Gastgeber und lassen ihre Brut von denen großziehen. Unerkannt bleiben die Reiterinnen, weil sie den Großkopf-Königinnen sehr ähnlich sind, wie Alex Wild an einem Foto erläutert.

„Sehen Sie die Haare auf dem Rücken der Reiterin? Sie passen in Länge und Biegung sehr gut zu den Haaren auf dem Rücken der Wirts-Königin. Das sieht so aus, als wollte sie ihre Wirte auf diese Weise im Dunkel des Ameisennests irreführen, indem sie sich so anfühlt wie die heimische Königin.“ [..]


Quelle / vollständiger Text: https://www.deutschlandfunk.de/rodeo-am ... _id=468192 vom 17.01.2020
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Re: Gibt es Rodeo-Ameisen in den Alpen?

Beitragvon Antspy » Sonntag 19. Januar 2020, 10:14

Halbwegs passend:

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Re: Gibt es Rodeo-Ameisen in den Alpen?

Beitragvon Merkur » Sonntag 19. Januar 2020, 17:35

Zu dem Post von Emse betr. „Rodeo-Ameisen“ im „Deutschland-Funk“:

Man muss nur eine griffige Bezeichnung finden um eine solche Entdeckung „sexy“ zu machen, so dass die Journaille drauf anspringt. ;) Viel Inhalt muss der Beitrag dann nicht bringen.
Mich haben die Funde natürlich sehr interessiert, haben wir doch auch in Europa solche Ameisen, die als Parasiten zeitweilig auf der Wirtskönigin reiten: Teleutomyrmex schneideri aus den Schweizer und Französischen Alpen sowie den Pyrenäen, und T. kutteri aus Spanien etc., siehe meinen Startbeitrag zu diesem Thread.

Neugierig geworden habe ich bereits im Dez. 2019 an Alex Wild geschrieben, ihn auf einige offene Fragen hingewiesen und Tipps gegeben, wie man sie angehen könnte. So fragt man sich, wie die Rodeo-Ants Nahrung aufnehmen, ob sie gelegentlich von der Wirtskönigin absatteln und Arbeiterinnen um Futter anbetteln, oder ob sie wie die Gastameisen Formicoxenus provancheri („Shampooing Ants“) bei Myrmica das tragende Tier ablecken, putzen, bis sie an dessen Mundteile gelangen und dort Regurgitation auslösen etc.. - Da Alex‘ Ameisenparasiten (Solenopsis spp.) auf Wirten einer anderen Gattung (Pheidole spp.) reiten, könnte es sich um Gastameisen handeln, deren Nestchen mit der Parasitenbrut sich im Randbereich des Wirtsvolkes befinden. Wenn jedoch die Brut mit der des Wirtsvolkes gemischt ist, könnte man Teile davon separat aufziehen (ohne Wirts- und Parasitenkönigin) und sehen, ob sich junge Parasiten-Geschlechtstiere entwickeln. - Das Spannendste ist eben die Lebensweise der neuen Arten.

Alex hat mir umgehend am 16.12. 2019 geantwortet:
Er bedankt sich für meine Kommentare, die hilfreich für die Diskussion in seiner vorgesehenen Publikation seien. Die Veröffentlichung sei noch nicht eingereicht; die Medien hätten die Geschichte einem Kongressvortrag entnommen. Leider weiß er noch nichts über die Lebensweise der Ameisen. Das zweite Exemplar haben sie eine Weile lebend gehalten, doch fiel es einem Missgeschick eines unachtsamen Kandidaten zum Opfer bevor viele Beobachtungen möglich waren. Die Parasitenkönigin klammerte sich definitiv an die Wirtskönigin und kehrte auf sie zurück, wenn man sie abstreifte. Nahrungsaufnahme und Eiablage konnten nicht beobachtet werden. - Zufällig seien jedoch einige Erzwespen (Eucharitidae) in dem Wirtsnest entstanden. (vgl. den großartigen Thread von MBM!) – Im kommenden Frühjahr wollen sie auf jeden Fall weiter nach den parasitischen Ameisen suchen.

Bisher unerwähnt ist der Fund einer ebenfalls auf einer Pheidole-Königin am Petiolus angeklammerten Solenopsis phoretica von Florida in 1992. Auch von dieser wurde nur ein Exemplar gefunden und von Davis & Deyrup 2006 als neue Art beschrieben: https://antwiki.org/wiki/images/6/68/Davis_2006.pdf . Siehe auch: https://antwiki.org/wiki/Solenopsis_phoretica .

Aus meiner Erfahrung mit Sozialparasiten kann ich nur sagen, dass es etwas kühn ist, nach einem einzigen Exemplar eine Art zu beschreiben. Ich konnte mehrere solche Fälle klären, indem ich mit meinen Kandidaten an den Original-Fundorten intensiv gesucht habe und dann die gefundenen Völker möglichst lange gehalten, beobachtet und zum Teil sogar gezüchtet habe. Die Untersuchung dieser Parasiten bei Pheidole hätte mich jedenfalls sehr gereizt, in meinen jüngeren Jahren! ;)

MfG,
Merkur
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Re: Gibt es Rodeo-Ameisen in den Alpen?

Beitragvon Emse » Sonntag 19. Januar 2020, 19:37

Merkur hat geschrieben:Zu dem Post von Emse betr. „Rodeo-Ameisen“ im „Deutschland-Funk“: Man muss nur eine griffige Bezeichnung finden um eine solche Entdeckung „sexy“ zu machen, so dass die Journaille drauf anspringt. ;) Viel Inhalt muss der Beitrag dann nicht bringen.

Hallo Merkur,

zwei kurze Anmerkungen dazu:

- Die sicherlich scherzhaft gemeinte Bezeichnung (Rodeo-Ameisen) hat sich Alex Wild (aufgrund des Fundorts Texas) ja bekanntermaßen selbst einfallen lassen.

- Der (von mir geschätzte) Deutschlandfunk recherchiert i.d.R. sorgfältig und verfügt über eine kompetente Redaktion. Die Meldung scheint nicht "konstruiert" zu sein, so ziemlich alle genannten Informationen (und Vermutungen) in dem Beitrag sind in wörtlicher Rede gehalten und stammen (zumindest scheinbar) direkt aus dem Mund von Alex Wild. Anzunehmen also, dass Wild sich, z.B. in dem von dir genannten Vortrag, wortwörtlich genau so (oder zumindest sinngemäß) zu seiner Entdeckung geäußert hat(?). - So, wie es sich jetzt darstellt, vielleicht etwas zu vorschnell und unüberlegt? Aber das ist dann nicht das Problem der "Journaille". Und evtl. habe ich dich ja missverstanden und deine Kritik an Form u. Inhalt der "Rodeo-Ant-Story" richtet sich gar nicht an die Medien...?

:roll:

So oder so, auf jeden Fall ein Dankeschön für die zusätzlichen Informationen. Man weiß also noch nicht viel, eigentlich sogar fast nichts. Und das, was man zu wissen glaubt, bedarf weiterer Nach-Forschungen und Absicherungen. Bin gespannt auf diesbezügliche (seriöse) Veröffentlichungen zu den "texanischen Aufsitzern".

[Beitrag mehrfach editiert]
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