Neuer Bienenschädling in Europa angekommen (Aethina tumida)

Neuer Bienenschädling in Europa angekommen (Aethina tumida)

Beitragvon Reber » Dienstag 27. Januar 2015, 13:00

Der Kleine Beutenkäfer oder Bienenstockkäfer (Aethina tumida) ist einer der gefürchtetsten Schädling bei Völkern der Honigbienen. Die Käfer und Larven fressen Honig, Pollen und Bienenbrut.

Bild
Wabe mit Larven des Kleinen Beutenkäfers. Bei einem derart starken Befall verlassen die Bienen den Stock (Quelle: Wikipedia).

Der Käfer wurde bereits über mehrere Kontinente verschleppt. Nun ist der Parasit auch in Europa (Süditalien) angekommen. Das Schweizer Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat deshalb eine Verordnung in Kraft gesetzt, welche die Einschleppung des kleinen Beutenkäfers von Italien in die Schweiz verhindern sollen. Seit dem 16. Januar 2015 ist es den Schweizer Imkern untersagt, Bienen und Imkereiprodukte aus Sizilien und Kalabrien einzuführen.

Dem Präsidenten des Bienenzüchterverband geht die Massnahme nicht weit genug:
«Die wirkungs- und sinnvollste Präventionsmassnahme wäre ein totales Importverbot von Bienen», sagt Wyss. Denn die Schweizer Imker seien problemlos in der Lage, die nötigen Bienenvölker selber zu ziehen. Der Import geschehe nur aus geschäftlichen Interessen, sein Verband ächte ihn gar.
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Re: Neuer Bienenschädling in Europa angekommen (Aethina tumi

Beitragvon Merkur » Dienstag 27. Januar 2015, 16:10

Manchmal greift man sich an den Kopf!

Mir ist der Kleine Beutenkäfer bereits seit Jahren ein Begriff, und so habe ich etwas gesucht, ob er nicht doch schon in Deutschland ist.

Ich fand eine Leitlinie zur Bekämpfung des Kleinen Beutenkäfers (Aethina tumida) und der Tropilaelapsmilben, herausgegeben im Mai 2014 von unserem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. http://www.fli.bund.de/fileadmin/dam_up ... smilbe.pdf Abschnitt 4.1
Also doch?
….. anzeigepflichtige Schädlinge der Gattungen Apis und Bombus. In Deutschland ist der Befall mit dem Kleinen Beutenkäfer eine anzeigepflichtige Tierseuche nach der Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.07.2011 (BGBI. I S. 1404) in der jeweils geltenden Fassung. Der Befall mit dem Kleinen Beutenkäfer wird nach den Bestimmungen der Bienenseuchen-Verordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.11.2004 (BGBI. I S. 2738) in der jeweils geltenden Fassung staatlich bekämpft.

Nein, doch nicht! – weiter unten in demselben Abschnitt 4.1 liest man:
….. Nach seiner Einschleppung in die USA im Jahre 1996 und nach Australien im Jahre 2002 hat er sich dort in kürzester Zeit über weite Gebiete und in den USA auch über die Landesgrenzen hinaus ausgebreitet. Bisher ist der Kleine Beutenkäfer noch nicht in Europa präsent, das Risiko einer Einschleppung ist jedoch hoch.

Aha! Da hat ein Ministerium sogar mal weit vorausschauend gearbeitet!? :?:
Aber ich fand auch Beiträge, wo bereits vor 10 Jahren im Zusammenhang mit dem „Bienensterben“ in D vom Kleinen Beutenkäfer die Rede war. Dass der damals nicht beteiligt war, erschließt sich dann erst beim genauen Lesen solcher Beiträge. :crazy: :?:

Manchmal ersäuft man in der Flut widersprüchlicher "Informationen"!

MfG,
Merkur
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Re: Neuer Bienenschädling in Europa angekommen (Aethina tumi

Beitragvon Reber » Dienstag 27. Januar 2015, 23:05

Naja, etwas Vorausschauen darf man ja eigentlich auch erwarten, nach dem der Nutztierparasit uns fast 17 Jahre Vorsprung gegeben hat. ;) Immerhin liess ja sein Auftauchen 1996 im südöstlichen Nordamerika bzw. sein Bemerken dort 1998 und sein anschliessender "Siegeszug" über den halben nordamerikanischen Kontinent Schlimmes ahnen.

2004 gelangten offenbar die ersten(?) lebenden Beutenkäfer nach Europa. In Portugal wurden sie laut Wikipedia in Käfigen von importierten Bienenköniginnen entdeckt - und ausgeschaltet. Ebenfalls aus dem Jahr 2004 stammt diese Veröffentlichung vom deutschen Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Der Kleine Beutenkäfer - Erkennen und Bekämpfen. Kein Wunder, dass der Neuankömmling aufmerksamen Zeitgenossen wie ein alter Bekannter vorkommt.

Nun ist Aethina tumida leider entgültig in Europa gelandet und man kann nur hoffen, dass die frühzeitige Auseinandersetzung mit der Gefahr und die vorab erarbeiteten Massnahmen sich auszahlen. Es wäre der Westlichen Honigbiene zu gönnen, wenn damit Festsetzen und Ausbreitung eines weiteren Parasiten verhindert werden können.
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Re: Neuer Bienenschädling in Europa angekommen (Aethina tumi

Beitragvon Trailandstreet » Mittwoch 28. Januar 2015, 09:42

Bisher scheint sich ja der Schädling noch auf wärmere Gefilde zu beschränken. Wenn man sich allerdings die letzten Winter so ansieht, sowas gib's in Italien auch mal.
Da kann es schon mal sein, dass er ein paar Jahre überlebt und auch in heimischen Stöcken großen Schaden anrichtet.
Das finde ich, gibt auch bei uns Grund zur Besorgnis.
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Re: Neuer Bienenschädling in Europa angekommen (Aethina tumi

Beitragvon Boro » Mittwoch 28. Januar 2015, 10:44

Es ist anzunehmen, dass Hochleistungszuchtrassen (nicht nur bei Bienen) gegenüber verschiedenen Krankheiten anfälliger sind als die Wildform. Mich würde sehr interessieren, wie die Wildform der Honigbiene auf die jetzt diskutierten Krankheiten reagieren würde. Gibt es diese Urform der Honigbiene irgendwo in Mitteleuropa noch oder hat man sie tatsächlich aus wirtschaftlichen Ertragsgründen absichtlich völlig ausgerottet? Der Versuch einer Einkreuzung mit den jetzt vorhandenen Bienen wäre u. U. von Vorteil, auch wenn die Erträge etwas absinken. Ein erweiterter Genpool mit vielfältigen Varanten einzelner Gene könnte vielleicht zu einer besseren Anpassung an die Veränderungen in der Umwelt führen. Etwa nach dem Motto:
Besser weniger ertragreiche Bienenvölker als gar keine....
L.G.
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Re: Neuer Bienenschädling in Europa angekommen (Aethina tumi

Beitragvon Reber » Mittwoch 28. Januar 2015, 13:21

Hallo Boro,
das ist eine interessante Frage! Über wild lebende Honigbienen in Europa gibt es unterschiedliche Angaben. Meist wird Argumentiert, dass Faul- bzw. Sauerbrut und Varroa die Wildlebende Form der Honigbiene ausgelöscht haben. In der Schweiz ist es amtlich, dass „wegen der in den Achtzigerjahren aus Asien eingeschleppten Varroamilbe (Varroa destructor) die letzten wildlebenden Honigbienen verschwunden sind“. Es gibt aber auch andere Meinungen, etwa dass es noch kleine, aggressive Völker von wildlebenden Honigbienen gäbe.

In vielen europäischen Ländern gibt es noch die von dir angesprochene "Urbiene", die Dunkle Europäische Biene (Apis mellifera mellifera).Bei ihr handelte es sich offenbar um eine natürlich entstandene/erhaltene Unterart der Westlichen Honigbiene (Apis mellifera).

Seit dem 1. Januar 2014 gibt es für die Dunkle Europäische Biene sogar eine „Schutzzone“ auf einigen Schottischen Inseln. Dort leben ca. 50 Völker bei denen weder Bienenkrankheiten wie Nosemose oder Faulbrut noch die Varroamilbe vorkommen!

Zum Umgang "der" Bienen mit den Kleinen Beutenkäfer: Dort wo sich Bienen und Parasiten schon länger kennen, entwickelten die Bienen offenbar Abwehrstrategien: In Afrika werden Käferlarven teilweise aus dem Stock geworfen, die adulten Käfer selber bedrängt und mit Propolis in "Waben-Gefängnissen" eingeschlossen.
Das letzte Verhalten scheint auch die Westeuropäische Honigbiene zu beherrschen - auch wenn sie vier mal weniger Propolis verwendet, als nicht näher bezeichnete afrikanische Bienenvölker. Ob sich die Dunkle Europäische Biene anders verhalten würde, als ihre helle "Zuchtschwester"?

@ Trailandstreet: Leider kann der Käfer deutliche Minusgrade aushalten. Ausserdem gelingt es ihm in den Wärmetrauben der Bienen problemlos zu überwintern. Das Klima wird’s also leider nicht für uns richten.
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Re: Neuer Bienenschädling in Europa angekommen (Aethina tumi

Beitragvon Reber » Dienstag 10. Februar 2015, 23:25

Anbei noch ein kleiner Nachtrag betreffend Unterarten der Westlichen Honigbiene:

Zu Beginn der Woche war ich an einem Imker-Einführungsabend und habe für mich neues über die Unterarten der Westlichen Honigbiene (Apis mellifera) lernen können. Inzwischen habe ich mich etwas eingelesen und kann folgendes nachreichen:

Von ursprünglichen Arten kann man bei den Honigbienen kaum mehr sprechen, weil die Tiere die Europa heute bevölkern das Produkt von Zuchtbemühungen sind. Kein Wunder sprechen die Imker von „Rassen“. Dazu kommt noch, dass die Unterarten (teils absichtlich, teils zufällig) gekreuzt wurden/werden.

Die oben erwähnte Dunkle Europäische Biene (Apis mellifera mellifera) ist eine alte, natürlich entstandene, Unterart der Westlichen Honigbiene. Sie ist gut an die harten Winter in Nord- bzw. Mittel-Europa angepasst. Wurde aber unter anderem in Deutschland nahezu ausgerottet, weil andere Arten mehr Honig produzieren. In anderen Ländern Europas wie Belgien, Dänemark, England, Norwegen, Österreich (Tirol) und der Schweiz gibt es noch umfangreiche mehr oder weniger reine Bestände. Der Schweizer Kanton Glarus ist z.B. ein Schutzgebiet für Apis mellifera mellifera - die Haltung anderer Bienen ist dort verboten. In letzter Zeit gibt es vermehrt Bemühungen die Art zu erhalten.

Weiter gibt es die Kärntner Biene oder Carnica genannte Apis mellifera carnica. Auch diese europäische (ursprünglich südöstlich der Alpen/im Balkan beheimatete) Unterart, ist natürlich entstanden. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde sie im ganzen deutschsprachigen Raum verbreitet, da sie mehr Honig produziert als die Dunkle Europäische Biene. Sie ist noch heute die am meisten verbreitete und gezüchtete Honigbiene in Deutschland. Sinnigerweise wird sie in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet Balkan, Österreich, Ungarn, etc. von der Buckfast-Biene (dazu später) in ihrem Bestand bedrängt.

Die dritte alte Art in unseren Breiten ist die Italienische Biene (Apis mellifera ligustica). Sie ist, wie ihr Name sagt, ursprünglich auf der italienischen Halbinsel heimisch. Mittlerweile ist sie die weltweit am häufigsten gehaltene Honigbiene. Das verdankt sie ihrem Fleiss und ihrem friedlichen Charakter. In Deutschland ist sie aber kaum verbreitet.

Zum Kontrast: Eine alles andere als natürlich entstandene Honigbiene ist die sogenannte Buckfast-Biene. Zu Beginn des 20. Jahrhundert wurden die Dunklen Europäischen Honigbienen in England durch Milben und Krankheiten praktisch ausgerottet. Der Benediktiner-Mönch Bruder Adam bereiste daraufhin zuerst Europa, dann auch Afrika und Asien und sammelte Bienenvölker ein um sie zu kreuzen. Heute stecken in der Buckfast italienische, englische, französisch, marokkanische, türkische, griechische und kenianische Gene. So kreierte der Gottesmann eine neue Bienenrasse, die er zu Ehren seines Klosters Buckfast-Biene nannte. Auch diese Biene hat weltweite Verbreitung gefunden und ist z.B. in Deutschland die zweithäufigste Zuchtbiene und in England soll sie die häufigste Honigbiene sein.
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Re: Neuer Bienenschädling in Europa angekommen (Aethina tumi

Beitragvon Boro » Mittwoch 11. Februar 2015, 10:24

Danke für die interessanten Beiträge zur Bienenzucht!
Ergänzen möchte ich noch, dass gerade in Kärnten seit langem ein "Krieg" zwischen "herkömmlichen" Bienenhaltern und den Großproduzenten tobt, weil an sich nur die Haltung der "Carnica" erlaubt ist, aber immer wieder fremde Bienenrassen gehalten oder eingekreuzt werden. So gesehen sei der Bestand der autochthonen Carnica gefährdet, heißt es. Wie wir immer wieder feststellen: Es geht um die Leistung, den Ertrag, den Profit.....
http://www.kleinezeitung.at/k/kaernten/ ... -die-Imker
http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%A4rntner_Biene
http://www.bienenzucht.org/content/carnica-zucht
http://www.nordbiene.de/unterarten-der- ... biene.html
L.G.
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Re: Neuer Bienenschädling in Europa angekommen (Aethina tumi

Beitragvon Trailandstreet » Mittwoch 11. Februar 2015, 12:39

Sehr interessante Beiträge. Ich kenne noch als Junge die Bienenvölker meines Onkels. Das waren allerdings keine carnica und sehr aggressiv. Wir sind immer geflüchtet, wenn sie auf uns aufmerksam wurden.
Ich glaub aber auch, dass langsam ein Umdenken stattfinden muss und die Zucht trotz allen Ertragswünschen wieder mehr auf Resistenz gegenüber Krankheiten und Parasiten gehen muss.
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