Aus meinem Foren-"Archiv" (Merkur)

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Beitragvon Merkur » Dienstag 26. Mai 2020, 19:50

Ameisengold der Maya (2004)

Dem Wunsch von Teleutotje entsprechend füge ich hier den ehemals im AF geposteten Beitrag (1. April 2004) ein. Er ist nicht ganz original. Einige Jahre später hatte ich den Plan, eine Anzahl meiner Forenbeiträge evtl. in Buchform herauszubringen. - Es wurde nichts daraus: Zunächst schien die Zahl möglicher Interessenten ja hoch, gemessen an den Userzahlen der Foren. Doch zeigt sich mehr und mehr, dass die meisten nur kurzfristig Interesse an Ameisen haben. Bald wurde die Stimmung in den Foren auch durch gewisse User so beeinträchtigt, dass ich das Vorhaben nicht weiter verfolgt habe.

Hier ist also der Beitrag zum Ameisengold der Maya. Die Tafel informiert in Maya-Schrift und -Sprache über den Ruinenkomplex von Ek-Balam; daneben ist eine entsprechende Tafel mit dem Text auf Spanisch angebracht. Unsere „Übersetzung“ ist frei erfunden! Später in dem Thread habe ich dann eine „Unbarmherzige Aufklärung“ gepostet. Den bei mir noch erhaltenen Text samt Bildern füge ich unten an. :D

Ameisen-Gold der Maya

Yucatan liegt in den wechselfeuchten Tropen. Während unserer Reise im März 2004 war Trockenzeit, die trockenste Trockenzeit seit Maya Gedenken! Alle Bäche und Teiche ausgetrocknet, der Boden ausgedörrt und sonnendurchglüht. Selbst die Riffe vor der Küste waren teilweise trocken gefallen. Entsprechend gering war das Ameisenleben an der Oberfläche. Eine sehr auffällige Art allerdings bewegte sich unbeeindruckt in der prallen Sonne an mehreren der von uns besuchten Maya-Ruinen:

1-180Gold-Campon 5-117.JPG
Camponotus sericeiventris
Die vorläufige Bestimmung ergab Camponotus sericeiventris (“sericeus” = seidig), obwohl das ihrer glänzend-metallischen Goldfarbe auf der Gaster nicht gerecht wird. Zufällig entdeckten wir in der erst seit kurzem ausgegrabenen Ruinenstadt Ek-Balam (ca. 150 km westlich Cancun, nahe Valladolid) eine Stele mit Maya-Schrift. Der Text ist von dem verwitterten Urzustand auf eine Keramiktafel übertragen.

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Die Maya-Inschrift
Die Schrift ist zwar kompliziert, konnte aber schon länger interpretiert werden, da einige der heute lebenden Maya die Sprache noch m.o.w. unverändert sprechen und z.T. sogar die Zeichen lesen können. So war eine Tafel mit der Übersetzung ins Spanische angebracht, die besagt, dass es sich um die Beschreibung der Goldgewinnung aus “Licht-Ameisen” handele. Gold, das die Spanier bei der Eroberung der mittelamerikanischen Reiche der Inka etc. tonnenweise abschleppten, war auch bei den Maya gefunden worden, wenngleich nicht in derart großen Mengen.
Das Rezept zur Goldgewinnung laut der Übersetzung:
“Auf dem Boden, wo die “Licht-Ameisen” umher laufen, lege man eine Spirale von mehreren Schritten Durchmesser an, aus Tequila (schon damals Nationalgetränk der Maya), der mit Honig (wohl von Meliponinen, Stachellosen Bienen) angesüßt ist. In der Mitte werde eine Tonschale eingegraben, mit nach innen umgebogenem Rand. Die durch den Tequila etwas desorientierten Ameisen fallen zuhauf in die Schale. Sind darin etwa 7 “qen” (~Unzen, das müssen mehrere Tausend Ameisen sein!) versammelt, so werde die Tonschale vorsichtig auf einem Holzkohle-Feuer erhitzt. Bei Erreichen von Rotglut sind die Ameisen fast ganz verschwunden. Nach dem Auskühlen können die Reste ausgewaschen werden, und es bleibt ein Quentchen Gold am Boden der Schale übrig.” (aus dem Spanischen frei übersetzt von R.B.)

Wieso aber Gold in oder auf Ameisen?? – Jeder kennt die Bilder von Mondfähren etc., die vielfach mit Goldfolie vor zu intensiver Sonneneinstrahlung im Weltraum geschützt werden. Das Reflexionsvermögen von feinsten metallischen Goldschichten ist unübertroffen. Und so ist das wieder ein schönes Beispiel dafür, wie die Natur so viele unserer technischen Erfindungen längst vorweg genommen hat! Camponotus sericeiventris kann damit in der prallen Mittagssonne laufen, wo bei ihren weniger gut angepassten Konkurrenten längst die Eingeweide verkocht wären.

Goldfarbene Ameisen gibt es übrigens in mehreren heißen Regionen der Erde, so in Australien Polyrhachis ammon (die nach dem ägyptischen Sonnengott Amon Ra benannt ist), oder die früher im Ameisenforum vorgestellte südafrikanische Camponotus fulvopilosus, die allerdings mehr samtig-dottergelb erscheint. Laut Bolton (1995) sind auch mehrere Arten direkt als “goldfarben” benannt, so z.B. Camponotus auratus aus Vietnam, C. aureopilus (“goldhaarig”) aus Neuguinea, und C. auropubens (“mit goldenen Pubeszenzhaaren”) aus Mozambique.

(Dieser Beitrag erschien zum 1. April 2004 und ist deshalb “mit Vorsicht zu genießen“!)


April, April: Nachlese
Hier also die "unbarmherzige Aufklärung" zum Maya-Gold:

Sonderpunkt für Ehrlichkeit erst mal an New Ant.

Applaus für Timm, dem wenigstens der eine "dicke Klops" aufgefallen ist. - Gold ist ein so inertes Element, dass es kein höherer Organismus aufnehmen, verarbeiten und irgendwo im Körper einlagern kann. Gold ausschmelzen kann man allenfalls aus einigen Exemplaren von Homo sapiens, so wie bei Eurer Ehrenameise, bei denen aber der Zahnarzt nachgeholfen hat.
Trotzdem ist es sehr bemerkenswert, dass doch recht viele Insekten es geschafft haben, m.o.w. perfekte Goldfärbung oder andere Metallfarben zu erzeugen. Das beruht auf der “Farbe dünner Plättchen”, etwa bei einem Ölfilm auf Wasser. Die Insekten stellen die Dicke bestimmter Cuticula-Schichten (auch etwa von Haaren) so ein, dass die Abstände der Schichten gleich bleiben, so dass eine bestimmte “gewünschte” (= in der Selektion bewährte) Farbe andauernd gezeigt wird (Rosenkäfer, Erzwespen, und halt auch unsere metallic-farbenen Ameisen).

Jetzt aber zum ersten “Klops”: Natürlich ändert sich der Pegel des Weltmeeres nicht, wenn in irgendeinem Landstrich Dürre herrscht! Also können bei Trockenheit in Mayaland auch nicht die “Riffe vor der Küste trocken fallen”!
Gezeiten wirken sich selbstverständlich aus, und der Meeresspiegel kann in erdgeschichtlichen Zeiten ganz ungeheuren Schwankungen unterliegen. So lag während der Eiszeiten der Meeresspiegel um bis zu 100 Meter(!) niedriger als heute; das “fehlende” Wasser war über Jahrtausende hinweg in den Eispanzern der Polargebiete und der Hochgebirge gebunden.
Auch diese Ereignisse haben übrigens in Yucatan deutliche Spuren hinterlassen:
Die ganze Halbinsel ist ein riesiges Karstgebiet, mit zahlreichen Höhlen, die bis weit unter den Meeresspiegel reichen. Sie sind heute mit Wasser gefüllt. Dort kann man (nur Mutige, nix für mich) tauchen und Tropfsteine 50 oder 60 m tief unter der Wasseroberfläche bewundern. Viele der Höhleneingänge (“Cenoten” genannt) sind zugänglich gemacht und dienen als natürliche Hallenbäder für Einheimische wie auch Touristen. Das Schwimmen darin (Wassertemperatur nahe 25 C) macht ausgesprochen Spaß, blaues Himmelslicht strahlt stellenweise durch Löcher in der Höhlendecke ein, Fische tummeln sich in dieser Unterwelt, und mit etwas Glück schwimmt man in einen Bereich, wo plötzlich große Fledermäuse über Dir kreisen!

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Cenote X-Kekén bei Valladolid
Sie war gut besucht am 24.03.04. Links neben der Tropfstein-Krone hängen Baumwurzeln zum Wasser hinab, die durch Spalten in der Decke eingedrungen sind.

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Einstieg in die Cenote Tres Bocas
Cenote “drei Münder” (= Löcher in der Decke) nahe Cancun. Einstieg über Treppe und zwei Leitern. Dort waren wir allein, und das Schwimmen war herrlich!
(25.03.04.)

5-314 Cenote KlFlederm 10-43.JPG
In der Cenote Tres Bocas
Blick über die Wasserfläche. In den dunklen Bereichen flogen die Fledermäuse über uns herum. Seile dienen dem Festhalten, wenn man in Not gerät. Der Blick nach unten, 50-60 m tief durch kristallklares Wasser ist Schwindel erregend!

In den Höhlen soll‘s übrigens auch Ameisen geben, aber wir haben keine gesehen.
--
MfG,
Merkur
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