Lasius (Chthonolasius) sp. - Gründung, Zwangszusammenführung

Unterfamilie: Formicinae

Lasius (Chthonolasius) sp. - Gründung, Zwangszusammenführung

Beitragvon Reber » Montag 26. September 2016, 13:05

Da ich am Wochenende wieder schwärmenden Exemplaren der sozialparasitisch gründenden Lasius-Untergattung begegnet bin, habe ich mich entschlossen, erneut einen Gründungsversuch durchzuführen. (Wie der letztjährige Versuch gescheitert ist, kann man hier nachlesen).
GF Gyne.JPG
Chthonolasius sp. Gyne

Bitte entschuldigt die schlechten Fotos. Sie taugen leider höchstens als "Beweisbilder" zum Unterstreichen des geschriebenen.

Da ich die Parameter, die ich für die „natürliche“ Gründung für nötig halte (grösser Behälter, kleines, eingefahrenes, am besten weiselloses Wirtsvolk etc.) wiederum nicht in Kürze hinbekommen konnte, wollte ich es auf die „brachiale“ Art, mit einer Zwangszusammenführung versuchen.
Der Plan war, die Wirtskolonie im Kühlschrank herunter zu kühlen, und dann die Gyne beizusetzen.
Dazu überfiel ich ein Lasius cf. niger Nest und raubte ca. 10 Arbeiterinnen und 50 Puppen.
Damit die Gyne ihr natürliches Verhalten zeigen konnte, gab ich ihr eine einzelne Arbeiterin ins Reagenzglas. Ich war mir sicher, dass die Gyne diese mit Leichtigkeit überwältigen könnte. Doch nichts geschah, es gab keine Auseinandersetzung. Die Arbeiterin versuchte der Gyne aus dem Weg zu gehen, dies näherte sich interessiert. Zuerst begann die Gyne mit einem auffälligen Putzverhalten, später auch die Arbeiterin.
GF Putzverhalten A1.JPG
Das typische Putzverhalten ist bei beiden Ameisen zu beobachten


Nach etwa einer Stunde:
Noch immer sind beide Ameisen am Leben. Ich beschliesse fünf Puppen ins RG zu geben. Die Arbeiterin wird nervös und zeigte wieder ein deutlicheres Fluchtverhalten. Ab und zu nimmt sie eine Puppe auf und trägt sie umher, nach kurzer Zeit legt sie die Puppe aber immer wieder ab.

Nach ca. 1 Stunde und 30 Minuten:
Plötzlich packt die Gyne die Arbeiterin und hebt sie hoch. Sie lässt die Kleine jedoch am Leben und setzte sie wieder ab. Die Arbeiterin versuchte darauf zu fliehen. Die Gyne verharrt ruhig über den Puppen, bewegt nur den Kopf und die Antennen, wenn sich die Arbeiterin nährt.
GF A1 mit Puppe.JPG
Arbeiterin trägt Puppe umher
GF Gyne hebt lebende A1 hoch.JPG
Gyne hebt Arbeiterin hoch


Nach ca. 2 Stunden:
Die Arbeiterin wirkt jetzt ebenfalls ruhig. Sie geht im RG auf und ab und umläuft die Gyne in einem kleinen „Sicherheitsabstand, während diese regungslos verharrt.

Nach ca. 2:15 Std.:
Die Gyne beginnt sich im RG zu bewegen, sie bewegt sich langsam und scheinbar suchend. Wenn die Arbeiterin auf sie trifft, weicht sie aus, aber keineswegs panisch. Die Arbeiterin läuft in normalem Tempo von Watte zu Watte.

Nach ca. 2:30 Std.:
Die Gyne und die Arbeiterin scheinen sich zu „verstehen“. Immerhin verfügen die Chthonolasius spp. ja über entsprechende Pheromone. Ich beschliesse meinen Plan zu ändern und quasi den Berg zum Propheten zu führen. Dazu schnappe ich mir die kleinste Arbeiterin (fortan A2) aus der Box mit den Puppen und setze sie zur Gyne und der Arbeiterin (fortan A1) ins RG. Bei der Gelegenheit stocke ich auch gleich die Puppen im RG zu einem Dutzend auf.

Als die beiden Arbeiterinnen aufeinandertreffen, ist A1 total verwirrt. Sie beginnt drohend und aufgeregt zu zucken. Dieses Verhalten zeigt sie nun sowohl gegenüber der Gyne, wie auch gegenüber A2. Letztere rennt von Watte zu Watte und versucht zu flüchten. A1 „berängt“ nun zuckend und aggressiv die Gyne, greift aber nicht wirklich an. Die Gyne wiederum wendet sich A1 zu und versucht diese scheinbar zu beruhigen. Dazu lecck oder Hält sie deren Kopf fest, ich kann es nicht genau erkennen. Nun krümmt sich die Gyne über A1 und packt sie. Die Gyne reibt sich mit der lebenden Arbeiterin ein, während diese keinen Widerstand leistet. Danach lässt sie sie wieder los. Kaum zu glauben!
GF A1 zuckend.JPG
A1 "bedrängt" die Gyne
GF Gyne reibt sich mit A1.JPG
Gyne reibt sich an lebender Arbeiterin (um Duft zu übertragen?)
GF Gyne packt A1.JPG


Nach ca. 2:45 Std.:
A1 bleibt nervös und zuckt bei jeder Begegnung mit der Gyne. A2 iverhält sich passiv, sitzt am Wassertank und putzt sich regelmässig.
Die Gyne hebt A1 wieder hoch, diese verbeisst sich in den Fühler der Gyne, die Gyne tötet A1. Wer „angefangen“ hat, kann ich nicht beurteilen. A2 mischt sich nicht ein.
Da die Gyne mühe hat, im RG halt zu finden und mehrmals auf den Rücken fällt, während sie noch immer mit der an der Antenne hängenden A1 ringt, gebe ich ein kleines Rindensplitter als Unterlage in das RG.
GF Gyne und A1 verbeissen sich.JPG
Gyne und Arbeiterin verbeissen sich


Nach ca. 3 Std.:
Die noch lebende Arbeiterin zeigt Interesse an der Gyne. Sie verfolgt sie nun zuckend, wie zuvor A1. Diese hängt noch immer leblos an der Antenne der Gyne.
GF A2 zuckt gegen Gyne mit toter A1.JPG
Die zweite Arbeiterin beginnt sich für die Gyne zu interessieren


Nach ca. 3.10 Std.:
Die Gyne kann sich von der toten Arbeiterin befreien und lässt diese auf der Eingangsseite auf dem Boden liegen. A2 zeigt unverändert das zuckende Verhalten. Die Gyne geht wieder langsam im RG umher, der „nervigen“ A2 schenkt sie dabei keine Beachtung. Sie scheint den Ausgang zu suchen, oder die Wirtskolonie?
GF Gyne hat A1 abgestreift.JPG
Gyne hat konnte die tote Arbeiterin von der Antenne abstreifen


Tags darauf, 20 Stunden später:
Gyne und A2 sind ruhig im RG. Ganz traut die Arbeiterin der Gyne noch nicht, was das kurze Zucken bei jeder Begegnung verrät.

Ich bin nun etwas ratlos, von einer raschen Umsorgung und Fütterung ist nichts merken.
Habe ich gar die falsche Wirtsameise? Für Lasius umbratus würde sie zwar stimmen. Aber Lasius mixtus bräuchte Lasius flavus, ausserdem würde sie bei weit tieferen Temperaturen und zu einem späteren Zeitpunkt ins Nest eindringen. Doch ab in den Kühlschrank?
Reicht eine Arbeiterin um die Puppen und die Königin zu umsorgen, wenn sie sie dann annimt, oder soll ich (eine) weiter hinzufügen, bei der Gefahr von neuen Auseinandersetzungen?

Was würdet ihr tun?

Edit:
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Re: Lasius (Chthonolasius) sp. - Gründung, Zwangszusammenfüh

Beitragvon Merkur » Montag 26. September 2016, 14:37

Hallo Reber,

Eine Arbeiterin kann ohne weiteres 6-8 oder ein paar mehr Puppen umsorgen. Voraussichtlich werden dann bald junge Arbeiterinnen schlüpfen, die akzeptiert werden und bald mithelfen. Ich würde noch 2-3 mittelgroße Larven aus dem niger-Nest dazu tun: Bei vielen Ameisen betteln Königinnen auch Larven an und bekommen von diesen etwas Darminhalt oder Drüsensekret! Bin nicht sicher, ob das bei Lasius geschieht, sollte aber jedenfalls nicht schaden.
Jedenfalls solltest Du den Versuch jetzt noch bei Zimmertemperatur halten, damit die Puppen schlüpfen können.
Bin gespannt, wie es weiter geht.

MfG,
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Re: Lasius (Chthonolasius) sp. - Gründung, Zwangszusammenfüh

Beitragvon Reber » Montag 26. September 2016, 19:42

Vielen Dank für den Tipp! Ich werde versuchen Larven aufzutreiben, wenn ich morgen die "überschüssigen" Ameisen und Puppen zurück bringe.

Kurz nach meine Post sind mir im Reagenzglas in der Box mit den Puppen 4 frisch geschlüpfte Lasius cf. niger Arbeiterinnen aufgefallen. Diese habe ich mit einer weichen Federpinzette herausgefischt und ins Gründungs-Reagenzglas gegeben.

Ebenso einen Tropfen Honig. A2 reagierte gestresst. Besonders gegenüber der Gyne - etwas abgeschwächt aber auch gegenüber ihren jungen, hellen Schwestern. Diese wussten nicht wie ihnen geschah und verhielten sich passiv, aber unerschrocken -sowohl gegenüber A2 als auch gegenüber der Königin.

Am Honigtröpfchen bedienten sich sowohl A2, wie auch die Gyne und eine der jungen Arbeiterinnen direkt. Unmittelbar danach konnte ich noch beobachten, wie A2 zwei junge Arbeiterinnen fütterte, bevor ich weg musste.

Jetzt, 27 Std. nach Beginn des Experiments, präsentiert sich die Lage "entspannt", aber seht selber:
GF am Honig.JPG
Gemeinsam am Honig
GF Gyne mit jungen Ameisen.JPG
GF Gyne mit jungen Ameisen2.JPG
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Re: Lasius (Chthonolasius) sp. - Gründung, Zwangszusammenfüh

Beitragvon Reber » Donnerstag 29. September 2016, 13:39

Am fünften Tag nach dem Start der Gründung gibt es 9 Arbeiterinnen. Die meisten sind jetzt voll ausgefärbt, einige sind noch braun und einer einzigen sieht man an, dass sie eben erst geschlüpft ist. Damit sind jetzt fast ebensoviele Arbeiterinnen im neuen Volk geschlüpft, wie ich zugesetzt habe. Die Konigin scheint voll akzeptiert und ich konnte beobachten, wie sie von einer Arbeiterin geputzt wird, allerdings noch keinen Futteraustausch zwischen Gyne und Arbeiterinnen. Frische Eier der Chthonolasius-Gyne sind noch keine vorhanden.
GF Kolonie.JPG


Leider konnte ich beim Zurückbringen der überschüssigen Puppen und Ameisen keine Larven im Wirtsvolk finden. Die Tiere haben nach meiner Störung die Brut wohl in teieferen Lagen in Sicherheit gebracht.

Aus einem weiteren Volk will ich nichts einbringen, weil ein anderer Koloniegeruch wohl nur wieder die Arbeiterinnen durcheinanderbringt und unklar ist, ob diese die Larven überhaubt annehmen. Möglichwerweise fehlen der Königin nun aber die von Merkur erwähnten Drüsensekrete etc. der Larven?
Ausserdem liest man ja immer wieder, dass sozialparasitisch gründende Ameisen die Brut im Wirtsvolk fressen. Ob meiner Gyne wichtige Proteine fehlen, weil nur Puppen vorhanden sind?

Um wenigstens beim allfällig bestehenden "Proteinproblem" Abhilfe zu schaffen, habe ich eine frisch überbrühte Fruchtfliege ins RG gegeben. Ihre Entdeckung sorgte für Aufregung, das tote Tier wurde sogar angegriffen.

Mittlerweile liegt das abgedunkelte Reagenzglas in einer Arena. Der Eingang des RG ist mit durchbohrten Korkstopfen erschlossen bzw. verengt. So kann ich die Kolonie künftig zwar etwas schlechter beobachten, aber besser mit Futter etc. versorgen. Der Bodengrund besteht aus einem trockenen Kies/Sandgemisch, Wasser, Honig und Fruchtfligen werden angeboten.
GF Arena.JPG
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Re: Lasius (Chthonolasius) sp. - Gründung, Zwangszusammenfüh

Beitragvon Reber » Freitag 30. September 2016, 12:54

Der Versuch ist leider gescheitert, die Gyne ist tot. :(
GF gescheitert.JPG

Über die Gründe kann ich nur rätseln:
Für unwahrscheinlich halte ich, dass die Arbeiterinnen direkt etwas damit zu tun haben, die Gyne war gut akzeptiert. Futter war vorhanden, die Fruchtfliege wurde verwertet. Ich sah zwar nie, dass die Arbeiterinnen die Gyne fütterten, aber sie konnte sich selbst versorgen.

In Frage kommt für mich:
- Stress und Strapazen, verursacht durch den Halter (Zwangszusammenführung, Störungen)?
- Folge der Auseinandersetzung mit der ersten Arbeiterin?
- Die fehlende Brut (als Nahrung bzw. als Auslöser zur Aktivierung selber Eier zu legen?).
- Die falsche Wirtsart (ich konnte weder die Gyne noch die Arbeiterinnen sicher bestimmen), fehlende Pflege durch die Arbeiterinnen?
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