Ein ungewöhnliches Weihnachtsessen

Ein ungewöhnliches Weihnachtsessen

Beitragvon Merkur » Sonntag 21. Dezember 2014, 17:50

Seit nunmehr sechs Jahren,seit 2009, beobachte ich auf meiner Terrasse in Reinheim/ Odenwald immer wieder im Winter aktive Berg- und Teichmolche. Anstatt brav lehrbuchmäßig in Winterstarre in ihren Verstecken zu liegen kommen sie regelmäßig bei passendem Wetter (ab + 3°C; nach Regen oder bei leichtem Regen) heraus und jagen Regenwürmer. Hier ist ein Bergmolch-Weibchen am Hl. Abend 2009 beim Festmahl zu sehen: http://www.ameisenforum.de/258397-post6.html . Mehr davon hier: http://www.ameisenforum.de/off-topic/42 ... olche.html
Nur bei Frost und Schnee kommen sie niemals zum Vorschein, und wenn der Boden trocken ist, sieht man sie auch nicht.

Vorgestern (19. 12. 2014) gegen 21:45, nach Regen und bei 7°C, traf ich auf die hier gezeigte Szene:

Molche-u.-Wurm-4678.jpg
Da gab’s ein etwas unkultiviert erscheinendes Festmahl. Ein Bergmolch-Mann und zwei Bergmolch-Damen versuchten, sich einen Regenwurm ehrlich zu teilen, was mangels Essbesteck mit Schwierigkeiten verbunden war. Ein Teichmolch-Mann macht sich links oben davon; er war auch noch mit an der Tafel, aber fühlte sich wohl durch mein Taschenlampen-Licht gestört, und bis ich die Kamera aus dem Keller geholt hatte, war er auf dem Rückzug. 15 Minuten später, nach einem kurzen Blitzgewitter, war nur noch eine Bergmolchdame damit beschäftigt, den kurzen Rest des Wurmes zu verschlingen, der somit ganz in ihren Eingeweiden Platz gefunden hatte.
Das dürfte im Frühjahr wieder eine reiche Eiablage geben! ;)

MfG,
Merkur
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Re: Ein ungewöhnliches Weihnachtsessen

Beitragvon Merkur » Montag 22. Dezember 2014, 12:25

Da es laut den Bewertungen Zweifel gibt, ob die Molche auf dem Bild trocken oder feucht waren, hier eine Erläuterung:
Ab Sommer (ca. Ende Juni), nach der Laichzeit, verlassen die Molche das Gewässer und leben an Land, bis sie im nächsten Frühjahr wieder in den Laichtümpel ziehen.
Im Sommer und Herbst ist von den Tieren wenig zu sehen, aber ganz sicher gehen sie nachts bei feuchter Witterung auf Jagd. Am Tag und bei trockenem Wetter verstecken sie sich in Felsspalten, Erdhöhlen usw., wo es auch bei Trockenheit genügend feucht bleibt.

Den Winter sollen sie nach allgemeiner Auffassung in „Winterstarre“ in den Verstecken verbringen.
Aus meinen Beobachtungen ist jedoch zu schließen, dass die Tiere bei passenden Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen den ganzen Winter über herauskommen und Beute machen können!

Meine Terrasse bietet dazu gute Beobachtungsmöglichkeiten. Verstecke sind in Rissen der Terrasse sowie in Trockenmauern im Garten (letztere waren für Ameisen "gedacht", die davon auch reichlich Gebrauch machen :) ).
Bei Nässe kriechen Regenwürmer in der Dunkelheit vom Rand her auf die Terrasse um Laub und Kiefernnadeln in ihre Gänge zu ziehen. Bei dieser Gelegenheit können sie von den Molchen erbeutet werden.

Die Tiere selbst erscheinen dabei relativ trocken. Lediglich das Bergmolch-Männchen oben rechts im Bild ist glänzend-nass: Vermutlich ist es ein Stück weit durch nasses Gras gekrabbelt, denn es hatte den Tag über geregnet!

Um die Situation deutlicher zu machen, zeige ich hier mal zwei Bilder der „Anlage“, bei leichtem Frost und gutem Morgenlicht:

Molchgarten_3954-web.jpg
Der "Molchgarten"
Vorn ist der Laichtümpel (der kleine Tümpel links hinten wird von den Molchen nicht genutzt); man sieht diverse Trockenmauern, in denen sich Molchverstecke befinden. Direkt hinter dem Haus, vor den großen Fenstern, ist die mit Muschelkalkplatten belegte Terrasse.

Molchterrasse2-3957.jpg
Die Terrasse
In den Spalten (Baufehler, den ich wegen der Molche nicht ausbessern mag) sowie an den Rändern unter der Terrasse sind die Verstecke der Molche.

MfG,
Merkur
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Re: Ein ungewöhnliches Weihnachtsessen

Beitragvon Reber » Montag 22. Dezember 2014, 13:01

Hallo Merkur,
danke für die Ausführungen und die Fotos (schön habens du und die Molche)! ;)
Mein Kommentar bezog sich darauf, dass wir in der Schule noch gelernt haben, dass viele Amphibien unter Wasser überwintern. Darunter auch Bergmolche. Deshalb müsse man in Gartenteichen Stellen bis zu 1m Tiefe einrichten und das Verlanden verhindern.

Dass die Molche teilweise im Wasser überwintern, scheint nicht ganz abwegig. Sowohl hier, wie auch auf Wikipedia sind Hinweise darauf zu finden. Möglicherweise betreffen diese vorallem die Larven.
Jedenfalls wäre es doch interessant herauszufinden ob sie auch jagen und Aktivität zeigen, wenn sie unter Wasser überwintern. Denn eines beweisen deine Beiträge ja, die klassische Winterstarre, in der die Tiere von November bis März regungslos im Versteck verharren, kann man vergessen ;)

Selber gehe ich übrigens auch davon aus, dass die meisten Bergmolche an Land überwintern, schliesslich findet man sie bereit ab August hauptsächlich dort in ihren wasserhahen Verstecken unter Steinen, Schilfhaufen etc.
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Re: Ein ungewöhnliches Weihnachtsessen

Beitragvon Merkur » Freitag 27. Februar 2015, 11:58

Veröffentlicht!
Nun habe ich mich endlich durchgerungen, die Beobachtungen an meinen im Winter aktiven Molchen zu veröffentlichen. Ein kurzer Beitrag erschien in der Zeitschrift elaphe Nr. 59, Feb.-März 2015, Seite 78.
http://www.reptilia.de/TERRARIA.312.0.html (Titelblatt und Inhaltsverzeichnis)

Elaphe-Molche-Winter.jpg
Der Molchbeitrag
Das ganze Heft ist für € 6.50 oder 12 sfr erhältlich. Es ist hervorragend redigiert und gedruckt, und dank der vielen schönen und interessanten Reptilien und Amphibien sicher auch eine Werbung für die Herpetologie. – Man könnte selbst in Versuchung geraten!
In jungen Jahren war ich ja auch herpetologisch interessiert, und sogar von dem MHV, dem „Must-Have-Virus“ infiziert. Nicht zuletzt dank einiger herber Fehlschläge bin ich inzwischen geheilt und immun. ;)
Wenn mir die Tiere natürlich freiwillig vor die Linse kommen, oder mir gar in meinem Garten ihre Lebensgeheimnisse anvertrauen, bin ich so begeistert wie eh und je! :)

Erstaunlich für mich ist in dem Heft eine riesige Liste von allein im Jahre 2014 neu beschriebenen Amphibien-Arten!

MfG,
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Re: Ein ungewöhnliches Weihnachtsessen

Beitragvon Trailandstreet » Freitag 27. Februar 2015, 13:34

Ich erinnere mich noch gut, als es bei uns in der Nähe noch die alte Ziegelei gab. Bevor sie dort ihre Lagerflächen erweitert haben, war dort ein größerer Teich, den wir auch ohne größere Probleme noch durchwaten konnten. Wir haben dort auch des Öfteren Bergmolche, Kammolche oder Teichmolche gefangen. Ab und zu sogar eine Ringelnatter.
Zeitweise hab ich sogar ein paar in einem Aquarium gehalten, wobei mir leider auch ein paar eingegangen sind. Mehr Erfolg hatte ich dann später in meinem Gartenteich.
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Re: Ein ungewöhnliches Weihnachtsessen

Beitragvon Merkur » Mittwoch 25. März 2015, 14:51

Nun hat unsere Lokalzeitung einen kleinen Artikel zu den winteraktiven Molchen gebracht:
http://www.echo-online.de/ratgeber/wiss ... 78,6054561
Leider wurde nur das am wenigsten beweiskräftige Foto abgedruckt, aber der Text ist insgesamt in Ordnung.

Wenn Ihr Leute kennt, die daran interessiert sein könnten, bitte den Link weitergeben!
Ich kann es noch immer nicht so recht fassen, dass eine derartige Abweichung vom Lehrbuch-Verhalten bisher niemandem aufgefallen sein sollte! :?:
Daher sind mir Kommentare willkommen. Bestätigende Beobachtungen aus anderen Regionen wären natürlich besonders wichtig.

MfG,
Merkur
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Re: Ein ungewöhnliches Weihnachtsessen

Beitragvon Steffen Kraus » Mittwoch 25. März 2015, 15:14

Hallo,
wenn ich mich noch an Tümpeltouren in meiner Jugend und später an die Touren mit meinen Jungs erinnere,
haben wir die schönsten Kammmolchmännchen schon im Januar gefunden.
Natürlich nur in wärmeren Wintern.
Eigentlich auch nicht verwunderlich, denn der Temperaturunterschied nachts im Frühjahr, zur regulären Paarungszeit, ist sehr gering zu einem wärmeren Winter.
Wie auch immer, die Natur geht immer ihre eigenen Wege.
Egal, was in Büchern und im Internet geschrieben wird.
Gruß Steffen
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,,es ist nicht wichtig, was andere denken wenn man kommt, es ist wichtig was sie denken, wenn man geht!
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