Geschickt hatte er sich Männchen ausgesucht. Auf die Frage, wie er die so schnell von Arbeiterinnen unterscheiden könne, war die Antwort: Zählen Sie die Fühlerglieder: Männchen haben 13, Arbeiterinnen nur 12!
Das geht natürlich nicht beim lebenden Tier, aber die Fühler hängen bei den Männchen auch etwas mehr, und daran kann man sie mit einiger Erfahrung erkennen.

Was aber hat es mit den merkwürdigen Zahlen auf sich? Nicht nur bei Hummeln, Bienen und Wespen finden wir stets ein Fühlerglied mehr bei den Männchen, und immer sind es 12 bzw. 13 Glieder. Auch bei den Ameisen trifft man meist auf diese Zahlen, obwohl es einige Ausnahmen gibt.
Man könnte spekulieren, dass die Männchen längere Fühler haben und daher ein Glied mehr benötigen. Aber wenn man so die Gattungen durchmustert, trifft man auch Arbeiterinnen mit sehr langen Fühlern und trotzdem nur 12 Gliedern, aber auch Männchen mit deutlich weniger als 13 Fühlergliedern. – Ich habe noch nirgends eine plausible Erklärung gefunden, weder für die absoluten Zahlen, noch für den „kleinen Unterschied“ zwischen


Nun sind besonders bei den Ameisen die geknieten Fühler charakteristisch, wobei dieses Merkmal bei den weiblichen Kasten stärker ausgeprägt ist als bei den Männchen: Auf ein langes Grundglied, den Fühlerschaft, folgt ein mit Muskulatur ausgestatteter, gegenüber dem Schaft aktiv beweglicher Pedicellus, an dem die Geißel mit vielen chemischen und taktilen Sensillen sitzt. Sie enthält keine Muskeln und wird nur durch den Blutdruck (Hämolymphdruck) in Form gehalten.
Die Konstruktion erinnert mich irgendwie an ein Selfie-stick. Dank des langen Schaftes können die Antennenspitzen weit auseinander gehalten werden, einen breiten Raum vor der Ameise abtasten. Aber die besonders empfindlichen Fühlerspitzen müssen auch ganz in die Nähe des Mundes und der Mandibeln gebracht werden, wenn dort Eier oder Larven zu manipulieren sind. So wird die lange Antenne praktisch im Bereich des Pedicellus abgeknickt, bis die Geißelspitze wieder fast an die Ansatzstelle des Schaftes heranreicht. Männchen betreiben keine Brutpflege, und so kann bei ihnen der Schaft relativ kurz sein, während sie oft sehr viel längere Geißeln haben als die Weibchen.
Nun noch mal zu den Fühlergliederzahlen: Es sind nicht immer


Für manche Gattungen ist die Fühlergliederzahl ein Bestimmungsmerkmal, bei anderen variiert sie zwischen den Arten innerhalb einer Gattung. So hat die Gattung Solenopsis 10/12-gliedrige Fühler (


Leptothorax haben immer 11/12-gliedrige Fühler; bei Temnothorax in Europa sind es (mit einer Ausnahme) 12/13, im östlichen Nordamerika dagegen dominiert eine Gruppe (die „acorn ants“) mit 11/12, während im Westen, in den Rocky Mountains, wieder Arten mit 12/13 Fühlergliedern häufiger sind.
Innerhalb unserer europäischen Sklavenhalter der Gattung Myrmoxenus gibt es weitere Reduktionen. Früher unterschied man Myrmoxenus (eine Art mit 12/13) von Epimyrma (im Prinzip 11/12), unter anderem aufgrund dieses Unterschieds. Doch hat dieser Unterschied anscheinend keinerlei Bedeutung. M. gordiagini (12/13) ist offenbar die ursprünglichste Myrmoxenus-Art, “noch“ mit der Fühlergliederzahl einer selbständigen Ausgangsart aus der Gattung Temnothorax. Sämtliche anderen bekannten Myrmoxenus-Arten haben 11/12 oder weniger.
Anhand einiger Mikroskop-Fotos lässt sich zeigen, wie solche Reduktionen zustande kommen können.
Myrmoxenus corsicus ist eine stark abgeleitete Art. Sie hat keine eigenen Arbeiterinnen mehr, kann also keine Raubzüge mehr durchführen, weist aber die charakteristische Koloniegründung der anderen Myrmoxenus-Arten auf (Die Parasiten-Königin dringt in das Wirtsnest ein und "würgt" die Wirtskönigin mittels ihrer Mandibeln am Hals, bis der Tod eintritt; das kann Wochen und Monate dauern!).
Man erkennt ein längeres Glied an Stelle von 5 und 6. Der Pfeil weist auf eine Kerbe hin, einen Rest der Segmentgrenze. – In der Abb. sind die Segmente nummeriert, vom Schaft (Sc, = 1) über den Pedicellus (Ped, =2), zu den Geißelgliedern (3 bis 8 gezeigt).
Wie diese Bilder zeigen, können innerhalb einer Art infolge von "Verschmelzungen" variable Segmentzahlen entstehen, die nicht immer leicht zu erkennen sind. "Verschmelzung","Fusion" sind dabei deskriptive Bezeichnungen. Wie so etwas während der Entstehung in der Puppenphase zustande kommt, ist unbekannt: Ob sich gleich gelegentlich unvollständig aufgeteilte Doppelsegmente bilden, oder ob eine ungegliederte Geißelanlage nachträglich unterteilt wird?
Normalerweise werden bei der Zählung der Fühlerglieder der Schaft (= 1) und der Pedicellus (= 2) mitgezählt. Es gibt jedoch Bestimmungsschlüssel, bei denen nach der Zahl der Geißelglieder gefragt ist, also ohne die beiden Grundglieder. Da gilt es aufzupassen!
Nun sollte das eigentlich nur ein kurzer Beitrag werden, aber die Sache ist doch vielseitiger als ich zunächst dachte. Vielleicht findet's doch der eine oder andere interessant.

MfG,
Merkur