Polyrhachis ist mit 115 beschriebenen Arten und Unterarten die zweitgrößte Ameisengattung in Australien (Shattuck, 1999). Ihre Lebensweise ist recht vielfältig. Von einer Art, Polyrhachis loweryi Kohout, 1990, waren zunächst nur ein paar Arbeiterinnen von der Typus-Lokalität bei Miles (Queensland) bekannt. Sie war, wie zwei weitere Arten der Verwandtschaftsgruppe, in der Nähe der Nester großer Rhytidoponera-Arten gefunden worden. Es bestand der Verdacht auf eine besondere sozialparasitische Beziehung der drei Arten zu den Rhytidoponera. Im Februar/ März 2000 suchten wir die Fundorte auf und fanden tatsächlich Polyrhachis loweryi in Nestern einer Art aus der Rhytidoponera aciculata-Gruppe.
Im Einzelnen sind die wissenschaftlichen Ergebnisse unserer Reise in der Zeitschrift „Insectes Sociaux“ beschrieben.
Maschwitz, U.; Go, C.; Dorow, W. H. O.; Buschinger, A.; Kohout, R. J. 2003. Polyrhachis loweryi (Formicinae): a guest ant parasitizing Rhytidoponera sp. (Ponerinae) in Queensland, Australia. - Insectes Soc. 50: 69-76. Die Arbeit kann hier herunter geladen werden:
http://www.antwiki.org/wiki/images/0/05 ... R_2003.pdf
Eine genaue Beschreibung der Art, mit sehr guten Bildern auch diverser anderer Polyrhachis-Arten, ist hier zu finden: Kohout, R.J. 2010: A review of the Australian Polyrhachis ants of the subgenera Myrmhopla Forel and Hirtomyrma subgen. nov.. - Memoirs of the Queensland Museum – Nature 55: 167-204.
http://www.antwiki.org/wiki/images/8/87/Kohout_2010.pdf
Königin und Arbeiterin von P. loweryi sind auf S.200 beschrieben, die Arbeiterin ist auf S. 195 abgebildet.
Hier möchte ich ein paar Eindrücke von unserer Freilandarbeit bei Miles vermitteln. Wir haben dort zehn Nester der Rhytidponera aciculata-Gruppe und fünf der R. convexa-Gruppe ausgegraben. Die parasitische Polyrhachis loweryi fand sich in sechs der zehn Nester von Rhytidoponera cf. aciculata, allerdings konnte nur in einem davon die Parasiten-Königin entdeckt werden.
Die Nesthügel der Rhytidoponera sp. sind oft „dekoriert“ mit Käfer- und Schabenflügeln, Insekten-Skeletteilen, aber auch Zigarettenkippen, Kronkorken und merkwürdig fünfeckigen Plättchen, die von den Wirbeln verendeter Kängurus stammen.
Die Nesteingänge sind sehr groß; man kann eine Hand hineinstecken, übrigens ohne dass man gestochen würde! Dieses Nest war das einzige, in dem wir auch eine Polyrhachis loweryi-Königin fanden.
Der Nesteingang wird mit einem Stück Plastikfolie verstopft; dann beginnt die Schweiß treibende Ausgrabung.
Sorgfältig wird kontrolliert, ob dabei keine Gänge oder Kammern angeschnitten wurden. Flüchtende Ameisen werden abgesammelt, angeschnittene Gänge werden verstopft.
Bis 65 cm Tiefe geht es hinein, dann wird der Boden betonhart.
Die Nester lagen nahe der Straße.
Die umher laufenden Ameisen müssen von Hand herausgelesen werden. Ein Exhaustor ist bei dem staubigen Boden nicht zu gebrauchen.
Meist gelingt es, das Nest als Block aus der Grube zu holen. Dann lassen sich beim Zerlegen die Ameisen von der Plane absammeln.
Ganz unten in dem Block befand sich stets eine besonders feste Struktur, mit sehr weiten Gängen und Kammern. Hier ist dieser Bereich mit der Oberseite nach unten dargestellt.
Der Lohn der Mühe: In der Wanne ist eine Menge großer (12-15 mm) rostfarbener Rhytidoponera-Individuen. Dazwischen bewegen sich ein paar deutlich kleinere dunkelbraune bis schwarze Polyrhachis, kenntlich auch an ihrer eher rundlichen Gaster (rechts unten) und den Dornen am Thorax.
Was ist das Besondere an dieser Form des Zusammenlebens von zwei Arten?
Zum einen lebt hier eine Formicine (Schuppenameise, Polyrhachis loweryi) als Parasit im Nest einer Ponerine (Urameise, Rhytidoponera sp.), scheinbar voll integriert in das Wirtsvolk.
Zum anderen aber gibt es, so wie bei der auf Java vorkommenden Polyrhachis lama, nur in wenigen Wirtsnestern eine reproduktive Parasitenkönigin. Nach hier nicht weiter referierten Untersuchungen transportieren einzelne Polyrhachis-Arbeiterinnen Eier oder kleine Larven in benachbarte Nester der Wirtsart, wo sie an der Nahrung der Wirte teilhaben und die mitgeführte Brut damit aufziehen.
Ein Vergleich mit Sklaven haltenden Ameisen drängt sich auf:
Ein Sklavenhalter-Volk raubt sich die Sklaven (in Form von Arbeiterinnenpuppen) aus mehreren benachbarten Wirtsnestern.
Ein Volk der parasitischen Polyrhachis lebt mit seiner eigenen Königin in einem Wirtsvolk. Polyrhachis-Arbeiterinnen lagern die Brutversorgung zu einem großen Teil in mehrere benachbarte Wirtsvölker aus. Wir haben das „dezentralisierte Brutaufzucht“ genannt.
Möglich ist diese gewaltfreie Nutzung der Arbeitsleistung mehrerer Wirtsvölker dadurch, dass die Rhytidoponera- Völker (im Falle von Polyrhachis lama ist es eine Diacamma-Art) ungewöhnlich tolerant gegenüber Artgenossen aus fremden Nestern sind, aber auch gegenüber anderen Arthropoden („Gästen“), die in großer Zahl mit in den Rhytidoponera-Nestern leben. So trafen wir beim Ausgraben auf unzählige Larven und Adulte einer Schabenart, auf Asseln (Fam. Trachelipodidae), auf ein paar kleine rötliche Spinnen, und auf einige Heuschrecken und Lepismatiden (ähnlich den goldfarbenen „Ameisenfischchen“ bei europäischen Ameisen).
Leider wurde in jüngerer Zeit nichts mehr über dieses so hoch interessante System geforscht.
MfG,Im Einzelnen sind die wissenschaftlichen Ergebnisse unserer Reise in der Zeitschrift „Insectes Sociaux“ beschrieben.
Maschwitz, U.; Go, C.; Dorow, W. H. O.; Buschinger, A.; Kohout, R. J. 2003. Polyrhachis loweryi (Formicinae): a guest ant parasitizing Rhytidoponera sp. (Ponerinae) in Queensland, Australia. - Insectes Soc. 50: 69-76. Die Arbeit kann hier herunter geladen werden:
http://www.antwiki.org/wiki/images/0/05 ... R_2003.pdf
Eine genaue Beschreibung der Art, mit sehr guten Bildern auch diverser anderer Polyrhachis-Arten, ist hier zu finden: Kohout, R.J. 2010: A review of the Australian Polyrhachis ants of the subgenera Myrmhopla Forel and Hirtomyrma subgen. nov.. - Memoirs of the Queensland Museum – Nature 55: 167-204.
http://www.antwiki.org/wiki/images/8/87/Kohout_2010.pdf
Königin und Arbeiterin von P. loweryi sind auf S.200 beschrieben, die Arbeiterin ist auf S. 195 abgebildet.
Hier möchte ich ein paar Eindrücke von unserer Freilandarbeit bei Miles vermitteln. Wir haben dort zehn Nester der Rhytidponera aciculata-Gruppe und fünf der R. convexa-Gruppe ausgegraben. Die parasitische Polyrhachis loweryi fand sich in sechs der zehn Nester von Rhytidoponera cf. aciculata, allerdings konnte nur in einem davon die Parasiten-Königin entdeckt werden.
Die Nesthügel der Rhytidoponera sp. sind oft „dekoriert“ mit Käfer- und Schabenflügeln, Insekten-Skeletteilen, aber auch Zigarettenkippen, Kronkorken und merkwürdig fünfeckigen Plättchen, die von den Wirbeln verendeter Kängurus stammen.
Die Nesteingänge sind sehr groß; man kann eine Hand hineinstecken, übrigens ohne dass man gestochen würde! Dieses Nest war das einzige, in dem wir auch eine Polyrhachis loweryi-Königin fanden.
Der Nesteingang wird mit einem Stück Plastikfolie verstopft; dann beginnt die Schweiß treibende Ausgrabung.
Sorgfältig wird kontrolliert, ob dabei keine Gänge oder Kammern angeschnitten wurden. Flüchtende Ameisen werden abgesammelt, angeschnittene Gänge werden verstopft.
Bis 65 cm Tiefe geht es hinein, dann wird der Boden betonhart.
Die Nester lagen nahe der Straße.
Die umher laufenden Ameisen müssen von Hand herausgelesen werden. Ein Exhaustor ist bei dem staubigen Boden nicht zu gebrauchen.
Meist gelingt es, das Nest als Block aus der Grube zu holen. Dann lassen sich beim Zerlegen die Ameisen von der Plane absammeln.
Ganz unten in dem Block befand sich stets eine besonders feste Struktur, mit sehr weiten Gängen und Kammern. Hier ist dieser Bereich mit der Oberseite nach unten dargestellt.
Der Lohn der Mühe: In der Wanne ist eine Menge großer (12-15 mm) rostfarbener Rhytidoponera-Individuen. Dazwischen bewegen sich ein paar deutlich kleinere dunkelbraune bis schwarze Polyrhachis, kenntlich auch an ihrer eher rundlichen Gaster (rechts unten) und den Dornen am Thorax.
Was ist das Besondere an dieser Form des Zusammenlebens von zwei Arten?
Zum einen lebt hier eine Formicine (Schuppenameise, Polyrhachis loweryi) als Parasit im Nest einer Ponerine (Urameise, Rhytidoponera sp.), scheinbar voll integriert in das Wirtsvolk.
Zum anderen aber gibt es, so wie bei der auf Java vorkommenden Polyrhachis lama, nur in wenigen Wirtsnestern eine reproduktive Parasitenkönigin. Nach hier nicht weiter referierten Untersuchungen transportieren einzelne Polyrhachis-Arbeiterinnen Eier oder kleine Larven in benachbarte Nester der Wirtsart, wo sie an der Nahrung der Wirte teilhaben und die mitgeführte Brut damit aufziehen.
Ein Vergleich mit Sklaven haltenden Ameisen drängt sich auf:
Ein Sklavenhalter-Volk raubt sich die Sklaven (in Form von Arbeiterinnenpuppen) aus mehreren benachbarten Wirtsnestern.
Ein Volk der parasitischen Polyrhachis lebt mit seiner eigenen Königin in einem Wirtsvolk. Polyrhachis-Arbeiterinnen lagern die Brutversorgung zu einem großen Teil in mehrere benachbarte Wirtsvölker aus. Wir haben das „dezentralisierte Brutaufzucht“ genannt.
Möglich ist diese gewaltfreie Nutzung der Arbeitsleistung mehrerer Wirtsvölker dadurch, dass die Rhytidoponera- Völker (im Falle von Polyrhachis lama ist es eine Diacamma-Art) ungewöhnlich tolerant gegenüber Artgenossen aus fremden Nestern sind, aber auch gegenüber anderen Arthropoden („Gästen“), die in großer Zahl mit in den Rhytidoponera-Nestern leben. So trafen wir beim Ausgraben auf unzählige Larven und Adulte einer Schabenart, auf Asseln (Fam. Trachelipodidae), auf ein paar kleine rötliche Spinnen, und auf einige Heuschrecken und Lepismatiden (ähnlich den goldfarbenen „Ameisenfischchen“ bei europäischen Ameisen).
Leider wurde in jüngerer Zeit nichts mehr über dieses so hoch interessante System geforscht.

Merkur