Trophische Larven?

Hier können allgemeine Fragen zum Thema Ameisen, sowie zu europäischen Ameisenarten gestellt werden.

Trophische Larven?

Beitragvon Intro » Donnerstag 7. Juli 2022, 18:51

Hallo liebe Community,

da es bei meiner Manica rubida-Königin z.T. so aussieht, als würden größere Larven kleinere fressen, wollte ich fragen, ob es auch so etwas wie trophische Larven gibt? In anderen Worten: Werden manche Larven anderen bewusst als Futter vorgesetzt, um deren Wachstum zu beschleunigen oder kommt es vor, dass Larven, die wenig Überlebenschancen haben, gefressen werden?
Das, was ich als "Futterlarven" vermute (ich kann mich natürlich auch verschaut haben), sieht auf jeden Fall dunkler aus als die anderen, könnten sie z.B. vertrocknet sein?
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Re: Trophische Larven?

Beitragvon Boro » Samstag 9. Juli 2022, 08:15

Trophische Eier (Futtereier) sind bei Dolichoderus quadripunctus bekannt. Arbeiterinnen legen diese Eier und sie werden dann vorwiegend an die Königin und Brut verfüttert. Das könnte für eine arboricole Art durch den Mangel an Eiweiß bedingt sein.

Ähnlich dürfte es sich bei Polyergus rufescens verhalten: In großen Nestern treten immer wieder (nur im Sommer) orangerot gefärbte Intermorphe auf, deren Funktion man bis jetzt nicht richtig zuordnen kann. Diese Gynen besitzen zwar die weiblichen Geschlechtsorgane, werden aber nicht begattet. Sie legen zwischendurch immer wieder Eier (davon habe ich irgendwo auch ein Foto) und man vermutet, dass diese als "Spezialnahrung" eingesetzt werden. Wenn man jetzt im Juli/August daran denkt, dass sie etwa für die Aufzucht neuer Gynen gedacht sind, wäre aber der Zeitpunkt fraglich: Werden im August schon die Gynen für die nächste Generation herangezogen? Diese intemorphen Gynen verschwinden wieder nach ein paar Wochen.
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Re: Trophische Larven?

Beitragvon Intro » Sonntag 10. Juli 2022, 09:09

Danke Boro!

Vielleicht findest du das Bild von der eierlegenden Intermorphe ja noch irgendwo? Wäre sehr spannend.

Bei Myrmecia pavida scheint das Legen von Futtereiern ebenfalls vorzukommen, auch durch die Arbeiterinnen. Siehe hier ein YT-Video des AF-Users Erne:



Im Ameisenwiki wird dieses Verhalten für eine Crematogaster sp. angegeben, in diesem Fall zur Konservierung von verderblicher Nahrung. https://ameisenwiki.de/index.php/Trophische_Eier

Meine Frage war jedoch, ob es auch Larven gibt, die als Futter verwendet werden, sei es durch Prädetermination oder aufgrund einer negativen Entwicklung von bestimmten Larven, die deren Verwendung als Futter für andere sinnvoller erscheinen lassen als die energieintensive Aufzucht derselben. Die Grundlage war eine Beobachtung bei meinen Manica rubida, die allerdings auch falsch interpretiert worden sein könnte. Scheinbar gibt es hierzu noch kaum oder keine Forschung.
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Re: Trophische Larven?

Beitragvon Merkur » Sonntag 10. Juli 2022, 10:20

Hallo Blabbi,

Zu dem Startbeitrag „Trophische Larven“: Die kleinen, dunkleren Larven erinnern mich an solche, die auf eine Überwinterung „vorbereitet“ werden (bei Leptothorax sieht das so ähnlich aus). Da werden Larven voll gefüttert, die sich in derselben Saison noch zu Arbeiterinnen entwickeln, während kleinere bereits zu schrumpfen beginnen. Die „sollen“ überwintern und sich im Folgejahr hauptsächlich zu Geschlechtstieren entwickeln, in jüngeren Kolonien wohl auch zu Arbeiterinnen.

Zu Dolichoderus habe ich hier einen Beitrag geschrieben, nach Torossian 1959: „Omelette“ aus Nähreiern für die Larven.

Polyergus-Intermorphe: Hier der Link zu einem Beitrag "Intermorphe Weibchen bei Polyergus rufescens (Latreille, 1798) (Hymenoptera, Formicidae)"
von Volker Borovsky, Carinthia II ■ 201./121. Jahrgang ■ Seiten 471–480 ■ Klagenfurt 2011. - Mit sehr schönen Fotos einer Intermorphen!

Auch im Forum der DASW gibt es hier einen Bericht über solche Intermorphen, von Boro!

Ich erinnere mich, dass ich in den 1960er Jahren bei Würzburg aus einem Polyergus-Nest zwei solcher Tiere entnommen und seziert hatte. Damals hatte ich mich für Polygynie interessiert. P. rufescens ist monogyn (mit einer entflügelten Königin). Die beiden Intermorphen hatten umfangreiche Ovarien, jedoch kein Receptaculum, konnten somit nicht begattet werden. Ich habe es schon mal in einem Ameisenforum erwähnt, hier, 2007. Da steht auch etwas von Intermorphen von Herrn Dr. Heller, die ich ebenfalls seziert habe.

MfG und schönen Sonntag!
Merkur
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Re: Trophische Larven?

Beitragvon Merkur » Montag 11. Juli 2022, 09:54

Nachtrag:

Hier ist der Link zu meinem im Beitrag von Blabbi erwähnten Artikel betr. Intermorphen als mögliche Speichertiere bei Crematogaster cf. baduvi.

CrematogasterG_I_Arb web.jpg
Crematogaster cf. baduvi: Königin, Arbeiterinnen und Intermorphe.

MfG,
Merkur
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Re: Trophische Larven?

Beitragvon Intro » Samstag 16. Juli 2022, 13:22

Danke Merkur für deine Antwort. Ich bin leider erst jetzt dazu gekommen, mich ausreichend tiefgehend mit den Informationen zu befassen.

Dass die Larve auf eine Überwinterung vorbereitet wurde, bezweifle ich jedoch. Einerseits sind jetzt wieder jede Menge Eier vorhanden, das heißt, ich denke nicht, dass die Königin bereits mit der Aufzucht neuer Brut abgeschlossen hat. Geschlechtstiere sind ebenfalls kaum wahrscheinlich, da ja aktuell noch keine Arbeiterinnen vorhanden sind. Andererseits sah es wirklich so aus, als würde sie gefressen werden. Die Bewegungen der größeren Larve, auf der sie lag, erinnerten mich stark an diejenigen, die beim Verzehr von Futterinsekten aufgetreten waren. Dennoch gilt weiterhin: Ich kann das Ganze selbstverständlich falsch interpretiert haben.

Dann bleibt mir dennoch noch die Frage: Ob nun bewusst trophisch oder nicht, werden Larven kannibalisch, wenn das "Opfer" kaum Überlebenschancen hat?
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