Luftverfrachtung von Geschlechtstieren

Fernverfrachtung von begatteten Gynen
Der Bericht über die winterliche Aktivität v. Prenolepis hat mich zum Thema animiert!
Passive Verfrachtung von Geschlechtstieren durch Windströmung trägt zur Verbreitung der Arten bei. Dieser Vorgang ist nur im Rahmen des Schwarmfluges vorstellbar, wenn Geschlechtstiere zu erhöhten Rendezvousplätzen abfliegen. „Nach der Begattung vollführen die Weibchen meist einen Ausbreitungsflug, der über große Distanzen gehen kann, wenn sie in höhere Luftschichten aufsteigen und sich durch Winde passiv transportieren lassen.“ (SEIFERT S. 38).
Was sind „große Distanzen“? Diese Frage will ich an Hand einiger historischer und in jüngster Zeit belegter Vorfälle am Beispiel Kärnten erörtern:
1. GÖTSCH W.(1950: Beiträge zur Biologie und Verbreitung der Ameisen in Kärnten und in den Nachbargebieten) berichtet vom Fund einer dealaten Gyne von Camponotus aethiops auf der Spitze der Gerlitzen in Kärnten (1900 m) am 12. 9. 1942. Teilweise scheint Götsch C. aethiops mit C. fallax verwechselt zu haben, darauf deuten nähere Fundumstände v. C. aethiops am Wörthersee hin [WAGNER H. C. (2014): Die Ameisen Kärntens: 212]. Götsch befasst sich mit der Möglichkeit von Einwehungen begatteter Weibchen aus Italien und wenn er sich auch bei dem genannten Fund in der Art geirrt haben sollte, erscheint die Existenz v. C. fallax auf 1900 m völlig untypisch. Bei Annahme der Minimalvariante – das Tier wäre beim Schwärmen im Klagenfurter Becken vertragen worden, ergibt sich immer noch eine vertikale Differenz von mindestens 1200 m (Vorkommen von C. fallax bis 700 m, von C. aethiops bis 600 m (WAGNER: S. 211 bzw. 214).
2. Im Sommer 2000 wurde eine Arbeiterin von Prenolepis nitens am Kreuzeck „zwischen 1800 und 2200 Seehöhe in der Latschenzone“ gefunden (leider keine genauere Höhenangabe!) [STEINER F. M. & B. C. SCHLICK-STEINER: Die Honigameise Prenolepis nitens (Mayr, 1852)(Hymenoptera: Formicidae) neu für Kärnten und erstmals im Gebirge). Die fast unglaubliche Meldung stammt von ausgewiesenen Experten; der Lebensraum von P. nitens wird üblicherweise mit Weinbaugebieten unter 500 m Seehöhe in Verbindung gebracht. Offenbar muss eine verwehte Gyne sogar ein Nest in dieser Höhe gegründet haben, sonst gäbe es keine Arbeiterin. Nun wissen wir aus einer neuen Publikation, dass P. nitens auch bei niedrigen Temperaturen furagieren kann und über eine ungewöhnliche Kältetoleranz verfügen dürfte (viewtopic.php?f=23&t=1211). Wie auch immer – die nächsten Fundgebiete der Art sind Friaul, die Südsteiermark und die Stajerska in Ostslowenien. Wenn wir Tolmezzo in Friaul als fiktiven nördlichsten Standort der Art heranziehen, ergäbe sich immer noch eine Horizontaldistanz von über 40 km und eine Vertikaldistanz von 1800 m (!!) zum Fundort, sofern wir für die obige Fundangabe das Mittel nehmen. Eine Luftverfrachtung aus der Stajerska würde mindestens 160 km betragen, die Höhendifferenz wäre mit 1600 m unwesentlich geringer.
3. Der Fund einer dealaten Gyne von Proceratium melinum 2014 in Villach in einem Wasserbecken und von 2 alaten Gynen 2015 am selben Ort. Die Art ist neu für Kärnten, die nächsten Fundorte sind wieder in der Steiermark, Ost-Slowenien an der kroat. Grenze und östlich von Görz/Gorica (SLO) sowie Brixen in Südtirol. Es gilt die Annahme, dass die Art sukzessive aus dem Balkanraum einwandert [DIETRICH C. O. (2004): Die Krummameise Proceratium melinum, ein unauffälliger und bemerkenswerter Einwanderer in Österreich]. Für den Fund in Villach dürften wieder 2 Optionen zur Verfügung stehen: Entweder Einwanderung (Einwehung) aus Gorica oder vom Pannonikum, welches wieder in der Stajerska seinen Anfang nimmt. Die Distanz zu den nächsten derzeit bekannten Fundorten bei Gorica bzw. an der kroat. Grenze Sloweniens betragen etwa 70 km bzw. über 140 km.
4. Sommer 2015: Fund einer alaten Gyne v. Camponotus truncatus an einer nächtlichen Lichtfalle nahe der Pasterze in über 2500 m (Gletscher im Großglocknergebiet, Hohe Tauern). Der Fund ist absolut zuverlässig, aber mehr als erstaunlich. Das nächste ausgewiesene Fundgebiet der Art liegt im Lienzer Becken (Osttirol) unter 700 m. Horizontal gemessen ergäben sich hier über 20 km, vertikal über 1800 m.
Probleme:
1. Einwanderung bzw. Einwehung eines Individuums aus einem bestimmten Ursprungsgebiet lassen sich nicht beweisen. Man kann sich dem Thema nur unter Einbeziehung zoogeografischer Aspekte annähern. Einwehungen über große Distanzen u. Höhenunterschiede gelten aber als gesichert.
2. Horizontale Distanzen sind weitgehend als kürzeste Verbindung zw. zwei Punkten gemessen, dazwischen liegen in unserem Fall teilweise Gebirge mit über 2000 m Höhe. Man darf davon ausgehen, dass dazwischen niedrigere Übergänge als Transportwege in Frage kommen. „Normale“ Ausbreitungsflüge der Gynen müssen niedrige Passagen verwenden, etwa entlang von Flussniederungen, niedrigen Übergängen.
3. Windströmungen. Als Starkwind aus dem Süden käme der Südföhn in Frage, der nicht selten auch Staub aus der Sahara mitbringen kann. Für kürzere Distanzen bzw. schrittweise Einwanderung bietet sich der Talaufwind an, der bei autochthoner Witterung tagsüber in Kärnten regelmäßig aus O bis SO weht, im Kanaltal/Val Canale (Verbindung Villach-Friaul) aus S.
L.G.
Der Bericht über die winterliche Aktivität v. Prenolepis hat mich zum Thema animiert!
Passive Verfrachtung von Geschlechtstieren durch Windströmung trägt zur Verbreitung der Arten bei. Dieser Vorgang ist nur im Rahmen des Schwarmfluges vorstellbar, wenn Geschlechtstiere zu erhöhten Rendezvousplätzen abfliegen. „Nach der Begattung vollführen die Weibchen meist einen Ausbreitungsflug, der über große Distanzen gehen kann, wenn sie in höhere Luftschichten aufsteigen und sich durch Winde passiv transportieren lassen.“ (SEIFERT S. 38).
Was sind „große Distanzen“? Diese Frage will ich an Hand einiger historischer und in jüngster Zeit belegter Vorfälle am Beispiel Kärnten erörtern:
1. GÖTSCH W.(1950: Beiträge zur Biologie und Verbreitung der Ameisen in Kärnten und in den Nachbargebieten) berichtet vom Fund einer dealaten Gyne von Camponotus aethiops auf der Spitze der Gerlitzen in Kärnten (1900 m) am 12. 9. 1942. Teilweise scheint Götsch C. aethiops mit C. fallax verwechselt zu haben, darauf deuten nähere Fundumstände v. C. aethiops am Wörthersee hin [WAGNER H. C. (2014): Die Ameisen Kärntens: 212]. Götsch befasst sich mit der Möglichkeit von Einwehungen begatteter Weibchen aus Italien und wenn er sich auch bei dem genannten Fund in der Art geirrt haben sollte, erscheint die Existenz v. C. fallax auf 1900 m völlig untypisch. Bei Annahme der Minimalvariante – das Tier wäre beim Schwärmen im Klagenfurter Becken vertragen worden, ergibt sich immer noch eine vertikale Differenz von mindestens 1200 m (Vorkommen von C. fallax bis 700 m, von C. aethiops bis 600 m (WAGNER: S. 211 bzw. 214).
2. Im Sommer 2000 wurde eine Arbeiterin von Prenolepis nitens am Kreuzeck „zwischen 1800 und 2200 Seehöhe in der Latschenzone“ gefunden (leider keine genauere Höhenangabe!) [STEINER F. M. & B. C. SCHLICK-STEINER: Die Honigameise Prenolepis nitens (Mayr, 1852)(Hymenoptera: Formicidae) neu für Kärnten und erstmals im Gebirge). Die fast unglaubliche Meldung stammt von ausgewiesenen Experten; der Lebensraum von P. nitens wird üblicherweise mit Weinbaugebieten unter 500 m Seehöhe in Verbindung gebracht. Offenbar muss eine verwehte Gyne sogar ein Nest in dieser Höhe gegründet haben, sonst gäbe es keine Arbeiterin. Nun wissen wir aus einer neuen Publikation, dass P. nitens auch bei niedrigen Temperaturen furagieren kann und über eine ungewöhnliche Kältetoleranz verfügen dürfte (viewtopic.php?f=23&t=1211). Wie auch immer – die nächsten Fundgebiete der Art sind Friaul, die Südsteiermark und die Stajerska in Ostslowenien. Wenn wir Tolmezzo in Friaul als fiktiven nördlichsten Standort der Art heranziehen, ergäbe sich immer noch eine Horizontaldistanz von über 40 km und eine Vertikaldistanz von 1800 m (!!) zum Fundort, sofern wir für die obige Fundangabe das Mittel nehmen. Eine Luftverfrachtung aus der Stajerska würde mindestens 160 km betragen, die Höhendifferenz wäre mit 1600 m unwesentlich geringer.
3. Der Fund einer dealaten Gyne von Proceratium melinum 2014 in Villach in einem Wasserbecken und von 2 alaten Gynen 2015 am selben Ort. Die Art ist neu für Kärnten, die nächsten Fundorte sind wieder in der Steiermark, Ost-Slowenien an der kroat. Grenze und östlich von Görz/Gorica (SLO) sowie Brixen in Südtirol. Es gilt die Annahme, dass die Art sukzessive aus dem Balkanraum einwandert [DIETRICH C. O. (2004): Die Krummameise Proceratium melinum, ein unauffälliger und bemerkenswerter Einwanderer in Österreich]. Für den Fund in Villach dürften wieder 2 Optionen zur Verfügung stehen: Entweder Einwanderung (Einwehung) aus Gorica oder vom Pannonikum, welches wieder in der Stajerska seinen Anfang nimmt. Die Distanz zu den nächsten derzeit bekannten Fundorten bei Gorica bzw. an der kroat. Grenze Sloweniens betragen etwa 70 km bzw. über 140 km.
4. Sommer 2015: Fund einer alaten Gyne v. Camponotus truncatus an einer nächtlichen Lichtfalle nahe der Pasterze in über 2500 m (Gletscher im Großglocknergebiet, Hohe Tauern). Der Fund ist absolut zuverlässig, aber mehr als erstaunlich. Das nächste ausgewiesene Fundgebiet der Art liegt im Lienzer Becken (Osttirol) unter 700 m. Horizontal gemessen ergäben sich hier über 20 km, vertikal über 1800 m.
Probleme:
1. Einwanderung bzw. Einwehung eines Individuums aus einem bestimmten Ursprungsgebiet lassen sich nicht beweisen. Man kann sich dem Thema nur unter Einbeziehung zoogeografischer Aspekte annähern. Einwehungen über große Distanzen u. Höhenunterschiede gelten aber als gesichert.
2. Horizontale Distanzen sind weitgehend als kürzeste Verbindung zw. zwei Punkten gemessen, dazwischen liegen in unserem Fall teilweise Gebirge mit über 2000 m Höhe. Man darf davon ausgehen, dass dazwischen niedrigere Übergänge als Transportwege in Frage kommen. „Normale“ Ausbreitungsflüge der Gynen müssen niedrige Passagen verwenden, etwa entlang von Flussniederungen, niedrigen Übergängen.
3. Windströmungen. Als Starkwind aus dem Süden käme der Südföhn in Frage, der nicht selten auch Staub aus der Sahara mitbringen kann. Für kürzere Distanzen bzw. schrittweise Einwanderung bietet sich der Talaufwind an, der bei autochthoner Witterung tagsüber in Kärnten regelmäßig aus O bis SO weht, im Kanaltal/Val Canale (Verbindung Villach-Friaul) aus S.
L.G.