Lauskolonie im Formikarium

Hier können allgemeine Fragen zum Thema Ameisen, sowie zu europäischen Ameisenarten gestellt werden.

Lauskolonie im Formikarium

Beitragvon Joachim » Montag 11. Juli 2022, 17:44

Hallo Leute :) Nach über zwölfjähriger Abwesenheit musste ich leider feststellen, dass sich die Streitereien verschärft und die Ameisenwelt sich in viele Foren weiter aufgeteilt hat. Ich möchte nur in einem aktiv sein und das wird das AF sein, aber hier sind einige alte Bekannte und Gesichter und ich möchte euch gern persönlich ein nettes Hallo zuwerfen und werde sicherlich hier und dort vorbeischauen.

Seit vielen Jahren beschäftige ich mich nun mit Blattläusen und ihrer Haltung, geboren aus dem Traum, eine Lauskolonie für die Ameisen dauerhaft im Formikarium zu halten. Meine Erfahrungen habe ich in einem Artikel zusammengefasst und es würde mich sehr glücklich machen, wenn auch andere Halter den Faden weiter verfolgen und ihre eigenen Kombinationen finden, die im Wohnzimmer gut funktionieren.

Link: https://ameisenforum.de/viewtopic.php?f=242&t=62876

Viel Spaß beim selbst probieren!
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Joachim
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Re: Lauskolonie im Formikarium

Beitragvon Reber » Dienstag 12. Juli 2022, 08:51

Hallo Joachim,

vielen Dank für den Hinweis zu deinem ausführlich dokumentierten Haltungsexperiment! Ich war lange Zeit extrem skeptisch, dass eine gemeinsame Haltung von Ameisen und einer Blattlauskolonie in einem Formikarium über einen längeren Zeitraum zu bewerkstelligen ist. Nicht zuletzt wegen eigener Erfahrungen mit Erbsenblattläusen aus der Futtertierabteilung. Auch wenn ich vereinzelt Trophobiose beobachten konnte, zügelten die Ameisen die Blattläuse in der Regel bald als Proteine ab...
Aber nun bestätigt dein Bericht, dass es mit den passenden Konfiguration möglich ist. Gut gelöst finde ich übrigens auch, dass die Ameisen nicht in die Pflanzenerde einziehen können. Eine ähnliche Lösung lässt sich vielleicht sogar bei meinen Dolichoderus quadripunctatus umsetzen...

Weisst du übrigens ob Rose und Maculolachnus submacula eine Winterruhe benötigen oder im Warmen durchgezogen werden können?
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Re: Lauskolonie im Formikarium

Beitragvon Merkur » Dienstag 12. Juli 2022, 09:33

Formica cunicularia, Rosen und die Läuse sind aus unserem Jahreszeitenklima, dürften ohne Überwinterung nicht besonders „glücklich“ sein.
Alle drei Partner in Winterbedingungen zu verbringen, stelle ich mir problematisch vor.
Bin auf einen Bericht über das Ganze nach dem nächsten Winter gespannt!

MfG,
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Re: Lauskolonie im Formikarium

Beitragvon Joachim » Dienstag 12. Juli 2022, 10:05

Hallo ihr beiden,

erstmal zur Frage mit der Erde: Formicas lassen sich durch die Watte erstaunlich leicht vom Graben abbringen, das dürfe bei Camponotus wohl auch klappen. Ich bezweifle aber, dass es bei kleineren Ameisen wie Lasius, Myrmica oder auch Dolichoderus so glatt funktioniert. Diese werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach aktiv Wege in die Erde suchen. Besonders, da man Watte alle 1-2 Monate erneuern muss (durch den Honigtau, Feuchtigkeitsstau ect). Eine Idee wäre es, den Topf im ganzen (ohne die Pflanze) mit mehrfach überlagertem Fliegennetz zu umspannen (mit Aussparungen für die Sprosse der Rosen) und danach die Watte anzubringen. Oder die (ungetestete!) "nukleare Lösung", die Erde oben einfach mit Gips zu bestreichen und auszuhärten, da die Sprosse einer kleinen Rose über das Jahr nicht viel dicker werden, und dann winzige Luftlöcher in die Seite des Topfes zu machen, damit die Erde weiter atmen kann. Dies ist allerdings völlig ungetestet und wie sich der Gips auf die Pflanze auswirkt, weiß ich nicht. Hier kann noch viel experimentiert werden.

Zur Winterruhe bin ich mit Merkur bisher d'accord, dass es so einfach nicht geht. M. submacula habe ich 2020 entdeckt als "Haltungslaus" (während Corona war Zeit für viele Experimente) und in beiden Jahren war es bisher so, dass gegen Oktober sehr akribisch mit der Produktion geflügelter Geschlechtstiere begonnen wird. Da submacula sowieso sehr behäbig sind in ihrer Vermehrung, bremst dies das Wachstum der Kolonie komplett. Die schwarzen Eier sind gut sichtbar und meiner Erfahrung nach legen die Läuse so lange Eier, bis die letzte Laus stirbt. Ich habe das bisher nur einmal versucht, beim Jahreswechsel 2021-2022, und da war im Januar dann Schluss. Was mit den Eiern passiert, kann ich nicht sagen, da ich die Rose dann entsorgt habe - es ist aber gut denkbar, dass diese Eier ohne ihre Winterruhe keine oder eine sehr gestörte Entwicklung haben werden.

Reber, wenn dein Gedanke ist, diese Läuse einer tropischen Art zur Verfügung zu stellen (aus Jux werde ich es demnächst mit C. nicobarensis versuchen) lässt sich die Kolonie durchaus bis Ende Dezember am Leben halten, bevor alles zusammenbricht. Das ist dann aber auch das Ende der Pflanze: Die Läuse produzieren so akribisch weiter Eier und Geschlechtstiere, dass die Rose stark in Mitleidenschaft gezogen wird. Sicherlich wird die Pflanze durch ausbleibende Winterruhe auch weiter geschwächt.

Es ist leichter, die Lauskolonien zum Jahreswechsel nach draußen zu entsorgen, und sich dann im Frühjahr einige Stammläuse zu sammeln und neue Kolonien zu gründen. Es ist rein spekulativ, aber man kann durchaus versuchen, die Eier an einer (wohnungsnahen und ungespritzten) Rose zu entsorgen - ich kann mir denken, dass sich dann im Frühjahr die Wahrscheinlichkeit erhöht, dort zahlreiche Stammläuse zu finden.

Zum Thema Jahresrhythmus und Population von M. submacula gibt es eine tolle Veröffentlichung aus dem Jahr 2003:
Jaskiewicz, B. (2003). The species composition and number of aphids on the shrubs Pinus mugo Turra and Rosa sp. in urban conditions. Electronic Journal of Polish Agricultural Universities, Horticulture 6(2)

In Zusammenfassung wird hier gesagt, dass submacula Kolonien in der ersten Hälfte ihrer Aktivität (also bis Juni/Juli) konstant wachsen, dann gibt es ein Plateau und schließlich ab Ende September/Oktober die Geschlechtstiere.
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Joachim
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Re: Lauskolonie im Formikarium

Beitragvon di4pr » Dienstag 12. Juli 2022, 12:05

Hallo Joachim,

schöner Bericht! Er war ja angekündigt, wurde freudig erwartet und bei Erscheinen dankbar konsumiert.

Die Frage nach der Winterruhe wäre auch meine erste gewesen, wenn ich bisher dazu gekommen wäre, zu antworten. Damit verbunden auch die Frage, ob/warum es denn eine mehrjährige Pflanze sein muss. Ein saisonaler Betrieb wäre für mich durchaus ausreichend und deckt sich offenbar auch gut mit dem Jahreszyklus der beteiligten (heimischen) Tiere. Aber das Kriterium, langsamwachsende Pflanzen zu verwenden, leuchtet ein. Für die üblichen "Lausmagneten" Kapuzinerkresse, Erbenpflanzen o.ä. trifft das eher wenig zu. So gesehen scheinen die Bedingungen im dargestellten Setup gut kontrollierbar.

Mir kam noch in den Sinn, ob bei Pflanzen aus den genannten Quellen (Super- Baumärkte) nicht die Gefahr besteht, dass diese mit Insektiziden belastet sind?
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Re: Lauskolonie im Formikarium

Beitragvon Reber » Dienstag 12. Juli 2022, 15:00

Meine Intention war eher, sie bei einheimischen Arten einzusetzen, in der Hoffnung den Topf mit den Läusen währen der Winterruhe einfach auf den Balkon stellen zu können... Die Winterpause nutze ich allgemein gerne um Formikarien wieder neu auszurüsten.
Aber ich kann ja einfach mal versuchen, ob Rose und Läuse es überleben würden bzw. ob die Läuse überhaupt auf den Rosen bleiben.
Ansonst wären die Kosten für Mini-Zimmer-Rosen im Baumarkt und der Aufwand fürs Sammel neuer Läuse ja hin und wieder vertretbar.

Die Insektiziedgefahr bei Baumarktpflanzen auf welche di4pr anspielt besteht übrigens tatsächlich! Das ist der Grund, warum ich neue Pflanzen gründlich abwasche und Anlagen, die ich nicht auschliesslich mit speziell für Terrarien angebotenen Pflanzen ausrüsten kann, lange "einfahren" lasse bzw. mindestens 6 Monate abwarte, bevor ich Tiere einsetze.
Die Läuse dürften aber selber ein guter Signalgeber dafür sein, ob das Insektizied noch wirkt oder nicht...
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Re: Lauskolonie im Formikarium

Beitragvon Joachim » Dienstag 12. Juli 2022, 15:08

@di4per Im Grunde könnte man einjährige Pflanzen schon nehmen, aber diese durchlaufen dann eben ihr ganzes Leben im Wohnzimmer. Eine Distel zum Beispiel ist eine tolle Wirtspflanze, wächst aber enorm stark in kurzer Zeit und ist sehr anspruchsvoll an Licht und Wasser. Solche Pflanzen brauchen umtopfungen und andere Eingriffe, und knicken sehr schnell ein wenn etwas nicht stimmt.

Insektizide sind in Baumärkten ein Problem, in Supermärkten habe ich bisher nur gute Rosen bekommen und auch deutlich günstiger.

@Reber es besteht natürlich die Möglichkeit, das ganze auf dem Balkon zu überwintern, oder die Eier im Kühlschrank. Bis jetzt war ich dafür zu faul, um ehrlich zu sein :)

Dazu kommt, dass Blattläuse auf einjährigen Pflanzen fast immer die Arten sind, die sich extrem vermehren und sich kaum in kontrolliertem Umfeld halten lassen.

Mehrjährige wie die Rose wachsen sehr genügsam und stabil, und im Falle von M. submacula tun das die Läuse auch.
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Re: Lauskolonie im Formikarium

Beitragvon Joachim » Dienstag 12. Juli 2022, 20:13



Hier ein kurzes Video mit drei möglichen Szenarien in Folge: Die Formica Arbeiterin versucht zuerst vergeblich, eine Häutung zur Abgabe von Honigtau zu animieren. Schließlich findet sie die richtigen M. submacula. Diese sind vor ein paar Tagen in kleiner Zahl auf diesen neuen Trieb abgewandert, nachdem der Stammtrieb zu dicht besiedelt war.

Edit: hier der direkt link, die einbettung scheint gerade nicht zu gehen

https://www.youtube.com/watch?v=CRHW8kjFpqA
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Re: Lauskolonie im Formikarium

Beitragvon Intro » Dienstag 12. Juli 2022, 22:00

Off-Topic, aber passt gerade trotzdem rein: Joachim, verwendest du als Browser Safari? Ich habe nämlich auf iPhone und iPad das Problem, dass im Ameisenportal eingebettete Videos unsichtbar sind. Auf meinem Android sehe ich das eingebettete Video.
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