Rückgang von Schwebfliegen auf der Schwäbischen AlbIn diesem von Boro verlinkten
Bericht der FAZ zum dramatischen Rückgang der Schwebfliegen steht eine
Bemerkung, die ich etwas beleuchten möchte:
„Eine Schwäche der mit mehr als 500 ehrenamtlichen Helfern erstellten Studie ist die fehlende zeitliche Kontinuität, auch gab es kein Kreuzgutachten (Peer-Review).“
Es geht darum, dass die meisten wiss. Zeitschriften von Forschern eingereichte Manuskripte zwei oder drei Gutachtern vorlegen, die prüfen sollen, ob die Arbeit wiss. Standards genügt, und die ggf. auch Änderungsvorschläge machen. Erst nach deren Zustimmung, evtl. Änderung, wird die Arbeit in der Zeitschrift gedruckt. In Mainstream-Forschungsbereichen funktioniert das weitgehend. Doch in Randgebieten, wo es nur ganz wenige für das Fachgebiet kompetente Forscher gibt, muss man gelegentlich auf das Peer-Reviewing verzichten.
Ich kann dies beurteilen, wurden doch viele meiner Arbeiten auf solche Weise begutachtet, und auf der anderen Seite hatte ich Manuskripte von Kollegen und Kolleginnen zu begutachten. Mehrfach musste ich das ablehnen, wenn die Arbeiten zu weit außerhalb dessen lagen, was ich im Rahmen meiner Arbeitsgebiete überblicken konnte.
Auch falsche Gutachten kommen vor, wenn Gutachter überfordert sind.
Ein Beispiel aus der Zeit um 1970: Die kleine Gastameise
Formicoxenus nitidulus die in Nestern von Waldameisen lebt, gewinnt ihre Nahrung, indem sie die großen Waldameisen direkt um Futter anbettelt, manchmal indem sie sich zwischen zwei mit Trophallaxis beschäftigten Ameisen aufrichtet und an dem Futtertropfen zwischen deren Mandibeln nascht, oder auch einfach von unten die Mundwerkzeuge einer
Formica betastet und Regurgitation auslöst.
Ein Gutachter meinte zu meiner Beschreibung dieses Verhaltens, dass
„er sich das nicht vorstellen könne“, ich solle das besser streichen. - Ich konnte ihn zum Glück überzeugen.
Persönlich gesehen hatte ich das Verhalten ja bereits 1966 in Saas Fee: Dort hat der Schweizer Naturfilmer
Hans A. Traber einen Ameisenfilm für das Fernsehen gedreht, und meine Aufgabe war es, möglichst viele Sozialparasiten im Gelände zu sammeln und vor die Kamera zu bringen.
Hier hatte ich bereits einmal darüber berichtet.
Im
AntWiki ist es inzwischen nachzulesen:
"Workers and sexuals are able to solicit food from wood ants, either directly, or the guest ant climbs up the legs and thorax to the head of a host ant that is engaged in food exchange with another Formica, then steals a little food from the droplet the two ants have between their mandibles", - wenngleich ohne direktes Zitat.
Zuvor gab es recht abenteuerliche Vorstellungen über die Ernährung dieser Gastameisen.
Der Film ist allerdings nicht mehr aufzufinden, und ich kenne auch weder Fotos noch gar Videos von dem Verhalten, das man in einer kleinen Arena eigentlich leicht nachstellen könnte.

- F. nitidulus, geflügelte Gyne und ergatoides Männchen in Kopula.
(aus meinen späteren Arbeiten zum Paarungsverhalten und der Zucht der Gastameise)
Zurück zum Thema: Erhebungen über den Rückgang von Tierarten sind zeitaufwendig, und man kann anders als bei Laborexperimenten kaum etwas genau planen. Die Aufsammlungen werden von verschiedenen Personen an verschiedenen Orten und in verschiedenen Jahren gemacht. Dennoch bestätigen die in dem Artikel wiedergegebenen Ergebnisse das, was man als häufiger im Freiland tätiger Biologe intuitiv wahrnimmt, auch ohne exakte Zählungen. Dafür dann geeignete und erfahrene Gutachter zu finden, ist sicher schwierig, und so sollte man die Veröffentlichung nehmen, wie sie ist. Das „Insektensterben“ findet statt, JETZT!
MfG,
Merkur