Leptothorax goesswaldi: Ein „heimtückischer“ SozialparasitBei der Durchsicht alter Fotos und Dias fand ich einige interessante, bisher unveröffentlichte Bilder aus dem Leben dieser
außergewöhnlichen Ameise, bei der „Koloniegründung“ im Nest ihrer Wirtsart
Leptothorax acervorum.

- L. goesswaldi-Königin am Werk
Das zweite Tier von links ist eine im Vorjahr begattete Jungkönigin der Parasitenart. Mit ihren Mandibeln beißt sie einer (etwas größeren
und dunkleren) Königin von
L. acervorum nacheinander beide Antennen ab. Die so amputierte Königin kann kein Futter mehr erbetteln und
verhungert im Laufe einiger Tage.
Direkt unterhalb der
L. acervorum-Königin liegt eine weitere Wirtskönigin, noch eingekrümmt und bewegungslos in Winterstarre. Ganz rechts,
unter den Arbeiterinnen, sind einige noch winterlich geschrumpfte Larven von
L. acervorum zu erkennen. Die Szene dokumentiert, dass die Parasitenkönigin nach der Paarung im Sommer sich in ein Wirtsnest einschleicht und dort den Herbst und Winter unbeachtet und untätig verbringt.
Erst im Frühjahr (April) beginnt sie damit, die Wirtsköniginnen eine nach der anderen zu amputieren, bis sie selbst die alleinige Königin des
Völkchens ist. Von den Wirtsarbeiterinnen gut mit Futter versorgt legt sie bald Eier, aus denen die Wirtsarbeiterinnen viele Männchen und Gynen
der Parasitenart aufziehen. Da aus der überwinterten Brut der Wirtsart auch noch Arbeiterinnen entstehen, kann sich der Parasit über 2-3 Jahre im
Wirtsvolk fortpflanzen, bis die letzten Wirtsarbeiterinnen gestorben sind.

- Ausschnitt aus Bild 1

- REM-Aufnahme der Antennenstümpfe. Aus: Buschinger & Klump 1988
Der Kopf einer amputierten
L. acervorum-Königin im Rasterelektronenmikroskop. Die Antennen werden immer an der gleichen Stelle im Schaft durchtrennt. Die Parasitenkönigin dreht dabei den Kopf seitlich leicht hin und her, so dass sie wohl mittels ihrer Mandibelzähne den Fühlerschaft allmählich „sägend“ durchtrennen kann.

- Wirtsvolk mit amputierten Königinnen. Foto: W. Ehrhardt
Etwa die Hälfte eines
L. acervorum-Völkchens im Objektträgernest. Die beiden Pfeile weisen auf zwei bereits amputierte Wirtsköniginnen hin.
Bringt man im Experiment zwei Parasitenköniginnen in ein Nest, bekämpfen sich diese gegenseitig durch Abtrennen von Antennen
und Beinen. Das sichert die Monogynie der
L. goesswaldi: Stets darf nur eine im Wirtsnest verbleiben. (Im Gegensatz dazu
sind die Völker von
L. acervorum meistens polygyn, enthalten zwei oder mehr funktionelle Königinnen).

- Kämpfende Königinnen von L. goesswaldi. Foto: W. Ehrhardt
L. goesswaldi-Königin (a) beim Angriff auf eine bereits antennenlose Konkurrentin (b).

- Kämpfende Königinnen von L. goesswaldi.Foto: W. Ehrhardt
Auch Beine trennen sich die konkurrierenden
L. goesswaldi-Königinnen ab.
Die Bilder entstanden während einer Diplomarbeit (B. Klump, 1988), in der dieses Verhalten entdeckt und erstmals untersucht worden war.
Buschinger, A., Klump, B. (1988): Novel strategy of host-colony exploitation in a permanently parasitic ant,
Doronomyrmex goesswaldi. - Naturwissenschaften 75, 577-578.
Bis dahin war lediglich bekannt, dass
L. goesswaldi stets in Nestern von
L. acervorum anzutreffen ist. Von H. Kutter war die Art im Schweizer Wallis entdeckt und 1967 beschrieben worden. Nachdem ich 1984 eine größere Population bei Briançon entdeckt hatte, konnten wir es wagen, eine nähere Untersuchung zu starten. Beim Einsammeln der Versuchstiere im April 1987 fiel auf, dass die Nester mit
L. goesswaldi oft mehrere Wirtsköniginnen
ohne Antennen enthielten. Dies ließ sich nicht durch zufällig beim Öffnen der Nester (mit Taschenmesser) erfolgte Beschädigung erklären. Die Laborexperimente bestätigten schließlich den Verdacht, dass die Parasitenköniginnen die Königinnen der Wirtsvölker mit dieser bisher einzigartigen
Methode beseitigen.
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