Die größte mitteleur. Knotenameise: Manica rubida

Re: Die größte mitteleur. Knotenameise: Manica rubida

Beitragvon Reber » Dienstag 28. Mai 2019, 10:27

Über Manica rubida wird oft berichtet, dass sich die Art wenig territorial verhält und meist nur die unmittelbare Umgebung ihrer Nesteingänge verteidigt. Ausserdem wurden Beobachtungen beschrieben, bei denen die Grossen Knotenameisen besonders zurückhaltend auf ihre kleinen Schwestern aus der Gattung Myrmica reagieren: Diese etwa nur am Knoten packen und wegtragen, wenn sie zu nahekommen.
Beide Verhaltensweisen konnte ich bereits mit eigenen Augen beobachten. Besonders bemerkenswert ist, wie nahe etwa die Nesteingänge von Formica-Arten und Manica bei einander liegen können, ohne dass sich die Tiere ins Gehege kommen. Kommt es doch zu Konflikten, hatte ich bisher den Eindruck, dass diese in der Regel von z.B.Formica fuscocinerea ausgehen.
Während einer Ferienwoche in den Alpen entdeckte ich vor einigen Jahren eine Manica-Nestanlage auf einem Feldweg, in deren Umkreis überall Echte Waldameisen Formica s. str. furagierten. Letztere hatten sogar eine Ameisenstrasse erreichtet, die streckenweise über die Fahrspur des Feldweges führte, auf dessen Mittel-Narbe, sich die Manica-Nesteingänge befanden. Ich dachte mir bei der Entdeckung, dass das wohl nicht lange gut gehen würde. Während der ganzen Ferien konnte ich aber dann keinen nennenswerten Konflikt beobachten.

Das Manica auch anderes Verhalten zeigen kann, davon zeugt eine Beobachtung, die ich letzten Freitag gemacht habe. Ich war eigentlich ausgerückt, um mir eine Gyne nach einem Schwarmflug zu fangen. Leider waren die Tiere erst bei der Vorbereitung und nur einzelne Männchen liessen sich kurz blicken, bevor sie wieder in den Eingängen verschwanden.

Manica Beute.jpg
Manica-Arbeiterinnen der Kolonie im normalen Habitat mit Beute

Bei einem Nest, welches auf einer Kiesstrasse entlang eines Flusses liegt, schien der Schwarmflug scheinbar kurz bevor zu stehen. Ich sah zwar keine Geschlechtstiere, aber jede Menge Arbeiterinnen, die aufgeregt in der Umgebung umher liefen. Auf den zweiten Blick wurde aber augenfällig, dass sich die Bewegung deutlich in eine Richtung abzeichnete. Auf ca. einem Meter breite liefen viele Tiere auf den Auslauf einer Wiese zu, die sich am linken Wegrand befand. Wiesen sind allerdings kein typisches Habitat der Art, hohes Gras wird normalerweise gemieden. Der Marsch aber führte fast zwei Meter weiter durch die Halme und fand sein Ziel kurz vor einem Waldrand.

Manica vs Myrmica4.jpg
Nesthügel im Gras

Es handelte sich dabei offensichtlich um ein kleines Hügelnest im Gras. Und es gab eindeutig einen organsierten Angriff darauf, welcher vom Manica-Nest ausging. In diesem Ausmass hatte ich die «Einzelkämpferinnen» vorher noch nie kooperieren gesehen. Jedenfalls nicht bei einem Angriff.

Manica vs Myrmica1.jpg
Kampfhandlungen
Manica vs Myrmica2.jpg

Nur, wer war der Gegner? Von den Verteidigerinnen war nichts zu sehen. Konnte es sich um ein Lasius-Nest handeln? Vom Auswurf her, wäre das möglich gewesen. Rund um das Nest waren Kämpfe im Gange, aber erst der zweite Blick offenbarte zwischen wem: Die Kontrahentinnen waren ebenfalls rote Knotenameisen, aber allesamt viel kleiner als Manica rubida. Ein kurzer Eingriff und die Beobachtung einiger in einander verbissener «Knäuel» von kämpfenden Arbeiterinnen in meiner Hand bestätigte die Vermutung: es handelte sich um eine Myrmica sp.
Leider hatte ich nur mein Handy dabei und kann deshalb nur «Symbolbilder» liefern. Die Beobachtung wollte ich euch dennoch nicht vorenthalten.
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Re: Die größte mitteleur. Knotenameise: Manica rubida

Beitragvon Boro » Dienstag 13. August 2019, 14:20

Sohn Roman hat Manica im Defreggental in Osttirol/Österreich beobachtet und zwar eine kriegerische Auseinandersetzung zw. Manica rubida und Myrmica rubra. Myrmica rubra ist leicht zu bestimmen. Dieses Verhalten steht im Widerspruch zu anderen Beobachtungen, wonach Manica zumindest mit der syntop lebenden Myrmica constricta weitgehend friedlich nebeneinander lebt (in diesem Thread 1. Seite!). Es hat zahlreiche tote Myrmica-Arbeiterinnen gegeben. Ich bekomme noch Handy-Fotos dazu. Vorerst Fotos einer schönen Gyne an der Fütterungsstelle.
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Re: Die größte mitteleur. Knotenameise: Manica rubida

Beitragvon Reber » Freitag 24. April 2020, 19:57

Noch eine kurze Beobachtung zu Manica rubida. Meistens begegnen mir die Tiere, in Gebieten wo grosser Konkurrenzdruck von Formica fuscocinerea herrscht, kaum beim Eintragen von Futter. Diese Woche konnte ich beobachten, wie sich Manica eine ca. drei Quadratmeter grosse Fläche am Fluss frei hielt. Dort waren am Nachmittag aussergewöhnlich viele Manica Arbeiterinnen untwerwegs und Formica fuscocinerea, die sonst die Ganze Gegend beherrscht, hielt sich zurück. Ich konnte beobachten, wie die Arbeiterinnen der Grossen Knotenameise einen lebendigen Regenwurm gemeinsam überwältigten und Richtung Nesteingang schleppten. F. fuscocinerea drangen nur am Rand in das Gebiet ein, kehrten dann aber, bei direktem Kontakt mit den Knotenameisen sofort wieder zurück. Kaum fünf Meter weiter, belagerten Arbeiterinnen der Formica-Superkolonie aber bereites wieder vorsichtig Nesteingänge und es waren dort nur vereinzelt Manica unterwegs. Mit fortschreitedner Jahreszeit wird sich Manica wohl mehr und mehr unter die Erde zurückziehen müssen. Wie sie es immer machen, die Kolonien sind dort seit Jahren stabil.

Manica erbeuten Regenwurm.JPG
Formica vor Manica Nesteingang.JPG
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Re: Die größte mitteleur. Knotenameise: Manica rubida

Beitragvon Boro » Freitag 10. Juli 2020, 09:02

Durchschnittlich kleinere Manica im Hochgebirge?
Manica rubida kommt bei uns bis in eine Höhe von etwa 2000 m vor. Mir ist schon einige Male aufgefallen, dass die Arbeiterinnen in hohen Lagen etwas kleiner erscheinen. Ich bin der Sache aber nicht weiter nachgegangen. Zuletzt konnte ich einige Unterstein-Nester in etwa 1800 m Höhe entdecken. Entlang eines Weges waren es 3 Nester. In allen befanden sich auffallend kleine Tiere, ich würde sagen: Pygmäen. Zwei Nester waren noch jünger, im dritten waren etwa 3 Dutzend Individuen. Alle gleich groß bzw. klein. Anlässlich der Nestgründung schlüpfen zuerst Pygmäen, das ist bekannt. Aber über 30 Pygmäen in einem Nest ohne einzelne größere Ameisen?
Lt. Stitz (sub Myrmica rubida) erreichen Arbeiterinnen eine Körperlänge von 5 bs 9 mm. Der Autor schreibt weiter: "...ist ihr Stich, zu dem sie aber fast 1/2 Minute braucht, ehe sie ihn ausführt, auch für den Menschen äußerst schmerzhaft, wie ein Wespenstich." Zum Glück fehlen beide Aussagen in der modernen Literatur: Ich wurde unmittelbar nach der Belegentnahme gestochen, ja es tut weh, kommt aber keineswegs an die Wirkung eines Wespenstiches heran.
Das Foto zeigt eines dieser Individuen,
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Re: Die größte mitteleur. Knotenameise: Manica rubida

Beitragvon Boro » Samstag 11. September 2021, 10:58

Hier wurde schon einige Male die Konkurrenz zwischen Manica rubida und Formica fuscocinerea angesprochen. Gestern waren wir an der Drau (Stausee), Hauptfluss Kärntens, der nach Aufnahme der Mur (Steiermark) in die Donau fließt. Die Uferbereiche, Sandbänke und Kiesterrassen sind wichtige Lebensbereiche dieser Art, die in trockeneren Arealen (Heißländen und ihren Rändern) deutlich seltener vorkommt. Hier lebt die Art syntop mit Formica fuscocinerea. Es war sehr trocken und heiß und Ameisen waren nur wenige an der Oberfläche zu sehen. Aber Friedhöfe haben wir entdeckt, massenhaft tote Manica-Arbeiterinnen, aber auch Teile von Geschlechtstieren und unausgfärbte, helle Individuen. Es wurden ganze Nester offenbar ausgerottet: von Formica fuscocinerea, von denen einige Exemplare zu sehen waren (schwarze Linien). Da endet die Geschichte von der "hohen Kampfkraft" der größten heimischen Knotenameise! Sie sind Einzelkämpfer und können ständigen Angriffen ausgesprochen kooperativ arbeitender Serviformicas kaum etwas entgegensetzen. Abgesehen davon müssen Knotenameisen mit dem Stachel eine verwundbare Stelle der Gegner "suchen", bevor sie zustechen, während Serviformica spp. das Gift sofort auf den Gegner abspritzen können.
1 Foto mit dem Handy.
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Friedhof v. Manica rubida, auch etliche tote F. fuscocinerea sind dabei!
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