Nochmals zu dem Thema Verhalten von Ameisen in einem fremden Bau:Manchmal geht einem so ein „Problem“ einfach nicht aus dem Kopf: Die Frage in der ARD-Sendung „
Wer weiß denn sowas“ lautete:
„Wie finden sich europäische „Temnothorax albipennis“-Ameisen in einem weitverzweigten, fremden Bau zurecht?“Die einzige wirklich treffende Antwort wäre:
„Überhaupt nicht!“Denn die Art hat überhaupt keinen Grund, einen fremden Bau zu betreten; das wäre lebensgefährlich.
Zudem sind „weitverzweigte“ Ameisennester in aller Regel dreidimensional; zur Entscheidung rechts oder links käme noch die nach oben oder unten, oder schräg dazu. Sinn machte das rechts-links allenfalls in den flachen, oft „zweidimensionalen“ und unverzweigten Nistgelegenheiten von
T. albipennis (ziemlich gleich der
hier gezeigten von
T. unifasciatus).
Wenn überhaupt, so müsste man sich fragen, wie etwa die Völkchen der Gastameise
Formicoxenus nitidulus sich im Hügelnest von Waldameisen zurechtfinden, das ja von den Wirtsameisen auch noch ständig umgebaut wird. Aber das ist nicht untersucht und wird auch nicht so bald untersucht werden.
Auch das von mir gestern beschrieben Verhalten einer Ameise, die auf der Suche nach Beute systematisch eine Pflanze abschreitet, lässt sich nicht auf ein zweidimensionales rechts-links-Abbiegen reduzieren. Wenn die Ameise den Stängel hoch läuft und auf einen direkt über ihr abzweigenden Blattstiel trifft, wird sie sich entscheiden müssen, ob sie geradeaus weiter geht und dabei über Kopf abbiegt, oder sie wird rechts bzw. links an Stiel und Blatt vorbei laufen. Kommt sie auf der Oberseite des Blattstiels wieder zurück an den Stängel, muss sie wiederum nach oben abbiegen, um nicht rechts- oder linksherum ständig um den Stängel zu kreisen.
Die Veranstalter hätten sich vor der Sendung besser bei einem Myrmekologen informiert. Ich wurde z. B. vor Jahren mal zum Thema
„24-Stunden-Ameise“ gefragt, ob die „richtige“ Antwort zutreffe. - Ich weiß nicht mehr genau, wie Frage und Antworten gelautet haben, aber damals haben u.a. User von Ameisenforen Vorschläge für die Sendung gemacht, und die "Macher" wollten halt sichergehen...
Gestern habe ich auf eine Arbeit von Rudolf Jander Bezug genommen. Hier ist ein Verzeichnis vieler seiner Arbeiten:
https://eeb.ku.edu/rudolf-jander .
Darunter: Jander, R. 1990. "Arboreal search in ants: search on branches (Hymenoptera: Formicidae)" J. Insect Behav.. 3. 515-527.
https://link.springer.com/article/10.1007%2FBF01052015AbstractAnts (Formicidae) perform two distinct search behaviors for resources: on the ground they use irregular, almost random alternating looping, and on branches and leaves they resort to outline-tracing (arboreal systematic search), whereby the individual systematically turns to one side at bifurcations and to the opposite side when turning about at end points. Experiments with searching Formica pallidefulva and Crematogaster cerasion artificial stick mazes under seminatural conditions demonstrated that bifurcations and end points only trigger turn decisions, whereas an intrinsic mechanism specifies the handedness of such turns. Arboreal homing differs from arboreal searching by a much stronger tendency to rectify paths by counterturning. The theory is advanced that searching on branches by outline-tracing is evolutionarily derived from ranging search by superposing a sustained intrinsic turn bias and by suppressing random turns.
Also bei der Suche am Boden laufen sie unregelmäßige, fast zufällig abwechselnde Schleifen. Auf Zweigen und Blättern schalten sie um auf ein "dem Umriss Folgen", wobei ein Tier systematisch sich an Gabelungen nach einer Seite wendet, und an Endpunkten in die andere Richtung umdreht. ... Die Versuche wurden mit künstlichen "Labyrinthen" aus Stöckchen durchgeführt.
(Leider verlangt Springer eine Bezahlung für den gesamten Artikel.

)
MfG,
Merkur