Wie stelle ich Camponotus herculeanus-Gründerinnen zufrieden?>>
Zum Diskussionsthread http://www.ameisenportal.eu/viewtopic.php?f=47&t=444Hier ist die versprochene „Bauanleitung“ für die Nester meiner beiden Gründerköniginnen.

- (1) Die Bienenfavela, günstige Materialquelle. ;-)
Ein Blick auf meine Bienenfavela, der einiges Material für das Kunstnest entstammt. Die großen Löcher (ganz oben und unten) werden von Holzbienen (
Xylocopa violacea) ausgenagt.

- (2) "Verbrauchtes" Nistholz für Solitärbienen.
Vorderseite einer Scheibe aus einem Lärchenstamm, die ca. 20 Dienstjahre hinter sich hat. Die einst von
Osmia cornuta genutzten Bohrlöcher sind weitgehend leer; Milben und die Mauerbienen-Taufliege
Cacoxenus indagator, deren Larven das Bienenbrot fressen, haben sie fast unbewohnbar gemacht. Nachdem ich mal eine
Bio-Koloniegründung von Camponotus_herculeanus im Freiland gefunden hatte, schien mir das Material geeignet: Weich, Feuchtigkeit speichernd.

- (3) Klötzchen mit alten Bohrlöchern wurden ausgesägt.
Aus der Stammscheibe wurden passende Stücke ausgesägt, so dass sie jeweils eines der alten Bohrlöcher enthielten.

- (4) Klötzchen-Rohling (und ein missglückter Versuch).
Das Ergebnis sah dann zunächst so aus, wie oben auf dem Bild zu sehen. Die Klötzchen konnten in der Größe angepasst werden und wurden ober- wie unterseits auf Schmirgelpapier geglättet.
Unten im Bild ist ein missglückter Versuch: Weißfaules Holz passend zurechtgeschnitten und zwischen zwei Objektträger geklemmt, das Ganze mit Tesafilm umhüllt, so dass es nur von einer Schmalseite her zugänglich war. Die Königinnen waren nicht davon überzeugt; anstatt sich in dem weichen Material eine Höhlung auszunagen, blieben sie einfach draußen. – Vielleicht wäre so etwas für andere Arten geeignet?
Tesafilm ist für solche Nestkonstruktionen nicht schlecht: Er hält über zwei Jahre, auch in mäßig feuchten Formikarien. Etwas Holzmehl neutralisiert die offenen klebenden Stellen. Wenn der Klebstreifen milchig-weiß wird, ist das Nest zu nass. Dann kann sich sogar die Klebung lösen. Aber dann ist es auch für die Ameisen zu feucht –
ein Billig-Hygrometer!

- (5) Ebenfalls unbeliebt: Bambusrohr-Nestchen.
Ein weiterer missglückter Versuch: Längs halbierte Bambusrohre wurden mittels Tesafilm auf Objektträger geklebt. Eingeschobene Holzstückchen sollten wiederum die Klebflächen neutralisieren. Kunstnestchen ähnlicher Bauart wurden in meinem Labor über Jahrzehnte in 3-Kammer-Formikarien eingelegt, mit Gipsboden (der Feuchtigkeit speichert, und durch grell-weiße Färbung signalisiert, wenn es zu trocken ist!), und der es durch entsprechende Bohrungen in den Zwischenwänden ermöglicht, ein Feuchtigkeitsgefälle zwischen Nestkammer, Futterkammer (Mitte) und Wasserkammer zu erzeugen. – Beide Königinnen saßen nach kurzer Inspektion von Formikar und Nest jeweils ausdauernd auf ihrem Bambusrohr, Kopf und Gaster gesenkt, es sah aus als hätten sie sich in ihr Schicksal ergeben!

Bei der geringsten Störung rasten sie davon. Der ca. 2,5 cm hohe, paraffnierte Rand war kein Hindernis: Sie stellten sich auf die Hinterbeine und machten mit den vorderen einen Klimmzug am Rand des Formikars, und weg waren sie! (Zum Glück in einer größeren Wanne mit höherem, paraffiniertem Rand). – Die Bambus-Nestchen könnten für
Lasius brunneus, L. niger oder
Temnothorax- und
Leptothorax-Arten interessant sein.

- (6) Sägespäne und Bohrmehl als Baumaterial.
Späne vom Zersägen des Lärchenblocks und „Sägemehl“, das die Holzbienen aus ihren Nistlöchern in Massen heraus schaffen, sollten den
Camponotus-Königinnen im nächsten Versuch als Baumaterial dienen.

- (7) Dieses Nestchen wird sofort akzeptiert!
Es funktioniert! Die bei Bild 4 beschriebenen Klötzchen wurden zwischen Objektträgern eingeklemmt (wiederum mit Tesafilm zusammen gehalten), eine rote Folie aufgelegt, etwas „Einstreu“ auf das Nest gelegt, und eine Königin zugesetzt: „
Hineinschlüpfen und sich wohl fühlen“ (alter Werbespruch für Pantoffeln) hieß die Devise! – Im Deckel ist eine Lüftungsöffnung mit Drahtgaze zu sehen. Der Überfall-Deckel kann so aufgesetzt werden, dass die Nestkammer, oder auch die feuchte Kammer belüftet werden, je nach Bedarf. Die Alu-Schälchen enthalten Wasser und versuchsweise ein Tröpfchen Honigwasser, das aber anscheinend nicht aufgenommen wurde.

- (8) Eine der Gynen in ihrer "Gründungskammer".
Rechts im Eingang sitzt die Gyne, mit dem Kopf nach außen. Sie hat bereits eifrig Späne in den Hohlraum gezerrt. Hinten ist das Bohrloch mit Zellstoff verschlossen: Hier kann notfalls ein Tropfen Wasser zur Befeuchtung zugegeben werden. (Auf
Watte verzichte ich grundsätzlich; die Gefahr ist zu groß, dass sich die Ameisen mit ihren Extremitäten darin verheddern, und dass Eier und kleinste Larven darin auf Nimmerwiedersehen verschwinden).
Beide Gynen haben einen Tag nach dem Einsetzen in diesen Nesttyp mit der Eiablage begonnen!Natürlich ist nun der Abstand vom Nest zum Rand des Formikars so gering, dass die Tiere „spielend“ herauslaufen könnten. Tun sie aber nicht! Die Nistgelegenheit scheint ihren Ansprüchen so nahe zu kommen, dass sie sogar bei Abnehmen des Deckels (Erschütterungen) und bei Wegname der roten Folie (Lichteinfall) still sitzen bleiben. Selbst das Ausleuchten mit einer Taschenlampe beantworten sie allenfalls damit, dass sie sich im Nest mal umdrehen.
Sollten Arbeiterinnen entstehen, müssen die Nestchen natürlich in Behälter mit höherem Rand umgesetzt werden.
Ich will „meine“ Art von Gründungsnest (noch) nicht empfehlen. Noch immer kann allerlei schief gehen! Das Nestmaterial ist weder abgebacken noch sonstwie desinfiziert.
Schimmel könnte auftreten. Jedoch produzieren Ameisen bekanntlich auch antiseptische Substanzen, mit denen sie sich selbst vor dem Verpilzen bewahren, und Pilzwachstum auch in der naturgemäß engen Gründungskammer hemmen können. – Das reicht natürlich bei den winzigen Sekretmengen nicht, wenn damit ein Reagenzglas mit der vielleicht fünfzigfachen inneren Oberfläche sauber gehalten werden soll!
Ich hoffe, bald Weiteres, und vor allem Gutes

berichten zu können.
MfG,
Merkur