“Fachchinesisch”
Zum Startbeitrag von Emse: „Trotzdem für mich mit "Normalbildung" nur schwer lesbar: Englisch und voller komplizierter Fachbegriffe.“Es ist vielleicht nicht ganz so schwer, Zugang zu solchen Arbeiten zu finden. Ich nehme mal als Beispiel die erste der zitierten Publikationen,
http://journals.plos.org/plosone/articl ... ne.0171388 Andrés Arenas , Flavio Roces:
Avoidance of plants unsuitable for the symbiotic fungus in leaf-cutting ants: Learning can take place entirely at the colony dump.Das ist noch leicht zu verstehen; es geht darum, dass Blattschneider es vermeiden, Blätter einzutragen, die für ihre Pilzkulturen schädlich sind. Das ist nicht neu; man hat bereits vor Jahrzehnten versucht, den Pilz indirekt zu vergiften, indem man Fungizide auf die Vegetation in der Nähe der Nester (z.B. auf Kulturpflanzen) versprüht hat. Doch das hat nicht viel gebracht: Die Ameisen haben bald gemerkt, dass mit den Blättern etwas nicht stimmt, und haben andere Pflanzen besucht, evtl. weiter weg. Auch von Natur aus unbrauchbare Pflanzen werden zunächst an den Pilz verfüttert, aber später gemieden.
Doch woher wissen die Ameisen, was ihrem Pilz evtl. nicht gut tut?Der 2. Teil des Titels nennt die Fragestellung: Die Tiere lernen es, und in der vorliegenden Arbeit wird als neu gezeigt, dass sogar ausschließlich der Kontakt (wohl geruchlich) mit Pilz- und Blattabfall in den Abfallkammern ausreicht, um daraus zu lernen, welche Pflanzenart ungeeignet ist.
Veröffentlichungen enthalten im Allgemeinen eine
Zusammenfassung. Wenn sie gut ist, wie in diesem Fall, kann man bereits daraus das experimentelle Vorgehen und die wesentlichen Ergebnisse entnehmen. So ein Abstract ist meist nicht schwer lesbar, und für die meisten Leser hinreichend informativ.
Das ist auch, was Journalisten üblicherweise lesen und (m.o.w. gut vorverdaut) weitergeben.
Der ganze große Rest enthält die Einzelheiten, Hintergrund, frühere Arbeiten zum Thema, Begründung der Fragestellung, Tiermaterial für die Experimente, genaue Beschreibung der Versuche, Ergebnisse, Interpretation (mit ordentlich viel Statistik zur Absicherung) usw., alles, was andere Forscher wissen müssen, wenn sie ihrerseits die Fragestellung bearbeiten möchten (z. B. vergleichend mit anderen Arten), oder Zweifel an den Ergebnissen bzw. Deutungen haben. – Das muss man sich nicht alles antun! Zumindest als Laie kann man es ohnehin nicht ganz beurteilen (hier in diesem Beispiel bin auch ich Laie!), und üblicherweise kann man den Autoren Glauben schenken, dass sie gründlich und nach aktuellen Standards gearbeitet haben.
Abstract
Plants initially accepted by foraging leaf-cutting ants are later avoided if they prove unsuitable for their symbiotic fungus. Plant avoidance is mediated by the waste produced in the fungus garden soon after the incorporation of the unsuitable leaves, as foragers can learn plant odors and cues from the damaged fungus that are both present in the recently produced waste particles. We asked whether avoidance learning of plants unsuitable for the symbiotic fungus can take place entirely at the colony dump. In order to investigate whether cues available in the waste chamber induce plant avoidance in naïve subcolonies, we exchanged the waste produced by subcolonies fed either fungicide-treated privet leaves or untreated leaves and measured the acceptance of untreated privet leaves before and after the exchange of waste. Second, we evaluated whether foragers could perceive the avoidance cues directly at the dump by quantifying the visits of labeled foragers to the waste chamber. Finally, we asked whether foragers learn to specifically avoid untreated leaves of a plant after a confinement over 3 hours in the dump of subcolonies that were previously fed fungicide-treated leaves of that species. After the exchange of the waste chambers, workers from subcolonies that had access to waste from fungicide-treated privet leaves learned to avoid that plant. One-third of the labeled foragers visited the dump. Furthermore, naïve foragers learned to avoid a specific, previously unsuitable plant if exposed solely to cues of the dump during confinement. We suggest that cues at the dump enable foragers to predict the unsuitable effects of plants even if they had never been experienced in the fungus garden.
Zusammenfassung:
Pflanzen, die furagierende Blattschneiderameisen anfangs akzeptieren, werden später gemieden, wenn sich erweist, dass sie für den symbiotischen Pilz ungeeignet sind.
Die Vermeidung von Pflanzen erfolgt aufgrund des Abfalls, der bald nach dem Einbau ungeeigneter Pflanzen in den Pilzgarten produziert wird, da die Futtersammler den Geruch und andere Merkmale von Pflanzen und geschädigtem Pilz erlernen können. Die Merkmale sind in dem neu produzierten Abfall vorhanden.
Wir stellten uns die Frage, ob das Meideverhalten gegenüber ungeeigneten Pflanzen vollständig anhand des Abfallhaufens erlernt werden kann.
Wir fütterten „naive“ Teilkolonien entweder mit Fungizid-behandelten Ligusterblättern oder mit unbehandelten Blättern. Nach dem Vertauschen der Abfallbehälter wurde die Akzeptanz unbehandelter Ligusterblätter gemessen.
Weiterhin untersuchten wir, ob Sammlerinnen die Auslöser des Meideverhaltens direkt am Abfall wahrnehmen konnten. Dazu zählten wir die Besuche markierter Sammlerinnen im Abfallbehälter.
Schließlich fragten wir uns, ob Sammlerinnen es lernten, spezifisch unbehandelte Blätter einer Pflanze zu meiden, wenn sie für drei Stunden in einem Abfallbehälter eingesperrt waren, in dem eine mit Fungizid-behandelten Blättern derselben Pflanze gefütterte Teilkolonie ihren Abfall deponiert hatte.
Nach dem Vertauschen der Abfallkammern lernten die Arbeiterinnen von Teilvölkern, die Zugang zum Abfall aus Fungizid-behandeltem Liguster hatten, diese Pflanze zu meiden.
Ein Drittel der markierten Arbeiterinnen besuchte den Abfall.
Weiterhin lernten naive Sammlerinnen eine bestimmte ungeeignete Pflanze auch zu meiden, wenn sie während des Einsperrens nur die Eigenschaften des Abfalls wahrnehmen konnten.
Wir nehmen an, dass es Eigenschaften des Abfalls den Sammlerinnen ermöglichen, die Schädlichkeit von Pflanzen bereits zu erkennen, selbst wenn sie diese nie zuvor im Pilzgarten kennen gelernt hatten.
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Anmerkung von Merkur: Eine Fortsetzung der Untersuchungen könnte dann die chemische Analyse der Duftstoffe aus dem Abfall sein. Danach könnte man mit Elektrophysiologie (Antennogramme) die Reaktion der Ameisen auf die einzelnen Komponenten des Abfall-Geruchs testen. Weiters: Könnte man diese Komponente(n) synthetisieren, wäre es möglich, alle Pflanzen im Umfeld der Nester für die Ameisen als "unbrauchbar" zu markieren: Der Pilz und damit das Volk würden verhungern. Das wäre dann eine praktische Anwendung der bisherigen Grundlagenforschung. Kommt vielleicht noch....
Mein Vorschlag für eine journalistische Version der Arbeit:
„Ameisen schnuppern am Müll und wissen, ob es gutes Fress-fress gegeben hat“
MfG,
Merkur