Evolution von Sozialparasiten bei Plagiolepis-Arten: Félicien Degueldre, , Patrick Mardulyn, Alexandre Kuhn, Amélie Pinel, Celal Karaman, Claude Lebas, Enrico Schifani, Gregor Bracko, Herbert C. Wagner, Kadri Kiran, Lech Borowiec, Luc Passera, Sílvia Abril, Xavier Espadaler, Serge Aron (2020):
Evolutionary history of inquiline social parasitism in Plagiolepis ants. - Molecular Phylogenetics and Evolution ,February 2021, 107016.
Keywords: Social parasitism Inquilinism Emery’s rule Phylogeny
Plagiolepis ABSTRACT: Social parasitism, i.e. the parasitic dependence of a social species on another free-living social species, is one of the most intriguing phenomena in social insects. It has evolved to various levels, the most extreme form being inquiline social parasites which have lost the worker caste, and produce only male and female sexual offspring that are reared by the host worker force. The inquiline syndrome has been reported in 4 species within the ant genus Plagiolepis, in Europe. Whether inquiline social parasitism evolved once or multiple times within the genus remains however unknown. To address this question, we generated data for 5 inquiline social parasites – 3 species previously described and 2 unidentified species – and their free-living hosts from Europe, and we inferred their phylogenetic relationships. We tested Emery’s rule, which predicts that inquiline social parasites and their hosts are close relatives. Our results show that inquiline parasitism evolved independently at least 5 times in the genus. Furthermore, we found that all inquilines were associated with one of the descendants of their most related free-living species, suggesting sympatric speciation is the main process leading to the emergence of the parasitic species, consistent with the stricter version of Emery’s rule.
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Über sozialparasitische
Plagiolepis-Arten wurde hier im AP bereits mehrfach berichtet. Da ich viele Jahre über Sozialparasitismus bei Ameisen geforscht habe, interessiert mich natürlich auch diese Gruppe, die mehrere beschriebene und auch einige unbeschriebene Arten umfasst. In meinem Review-Artikel von 2009 schrieb ich:
Other inquilines, e.g., the parasites of the formicine genus Plagiolepis are anatomically less aberrant but may also have a long parasitic history. The parasitic group (formerly genus Paraplagiolepis) comprises the two species, P. xene and P. grassei, and at least five undescribed ones (Stuewer 1992, Cagniant 2006, A. Buschinger, unpubl.), as well as the former genus Aporomyrmex with Plagiolepis ampeloni and P. regis .
Bisher haben wir angenommen, dass diese inquilinen Arten, oder evtl. nur ein Teil davon, monophyletisch sind, d.h.: Es gab eine erste parasitische Art, die sich dann aufgespalten hat, evtl. unter Spezialisierung auf verschiedene selbständige
Plagiolepis-Arten.
In der nun erschienen Arbeit von Degueldre et al. (in Band 155, 2021, der Zeitschrift; aber bereits online) wurden mehrere parasitische Arten und ihre Wirtsarten molekulargenetisch untersucht.
Als Ergebnis fanden die 15 (!) Autoren, dass
Inquilinismus in der Gruppe fünfmal unabhängig voneinander entstand, und dass alle untersuchten Arten Abkömmlinge ihrer jeweiligen, nächstverwandten, Wirtsarten sind. Das lässt auf jeweils sympatrische Artbildung schließen, und es entspricht der „Emery-Regel“ in ihrer strikten Form.

- Verbreitung der untersuchten Arten, aus der Publikation
Dies ist ja nicht allgemein so bei Sozialparasiten. Besonders bei den Sklavenhalter-Gattungen gibt es gute Evidenz, dass etwa
Harpagoxenus, die früheren
Myrmoxenus und
Chalepoxenus,
Strongylognathus, sowie
Polyergus jeweils monophyletisch sind und – nach Entstehung der ersten Spezies aus einer der Wirtsarten - weitere Aufspaltungen erfahren haben.
Untersucht wurden die bereits lange bekannte
Plagiolepis xene, die ebenfalls länger bekannte
P. grassei, die erst vor wenigen Jahren beschriebene
P. delaguerrei, sowie zwei unbeschriebene Arten aus Griechenland bzw. der Türkei. Bei
Plagiolepis existieren nach wie vor einige weitere unbeschriebene Arten. Eine der auffälligsten ist wohl die
hier hier mal vorgestellte Art mit ihren merkwürdigen Mandibeln:

- Unbeschriebene parasitische Plagiolepis-Art. Foto: S. Stuewer
Ich habe mit den Autoren Kontakt aufgenommen, und ich hoffe, dass sich unter den jüngeren Myrmekologen vielleicht mal ein guter Taxonom der ganzen unbeschriebenen
Plagiolepis-Parasiten annehmen wird. Die Beschreibung ist sicher anspruchsvoll, da die Tierchen winzig sind (vgl. die excellenten Bilder von Boro
hier). Zudem zeichnen sie sich durch z. T. sowohl Königinnen- als auch Männchen-Polymorphismus aus, wobei möglichst alle bekannten Morphen jeder der Arten beschrieben werden müssten.
Edit: Zur (Bewert.-)Frage von Reber:
P. xene auf jeden Fall: AntWiki gibt die Schweiz in der Länderliste an. In der Verbreitungskarte ist die Schweiz für diese Art komplett schraffiert. Kutter (1977, Insecta Helvetica, S. 189) gibt sie an für Roveredo GR und Ascona TI. Deutschland ist in der Arbeit ähnlich „großzügig“ behandelt:
P. xene wurde bisher nur am „Isteiner Klotz“ im SW-Schwarzwald, nahe Freiburg, gefunden. Seifert (Buch 2007) gibt an: Isteiner Klotz und Kaiserstuhl.
MfG,
Merkur